Deutsche Nutzer unzufrieden mit Oracles Lizenzpolitik
Die Lizenzpolitik von heute ist schwerfällig. Das Morgen muss viel flexibler werden, sagen die Anwender. Doch Flexibilität und Transparenz schließen sich oft aus, sagt Oracle.
Trotz engster Kontakte zwischen der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag) und Oracle Deutschland – die Lizenzen sind und bleiben ein Problem. Besonders in Zeiten der IT-Konsolidierungen liegt in diesem Bereich so manche Stolperschwelle. Die Konsequenz sind böse Überraschungen. Und so hat mit 70 Prozent die deutliche Mehrheit der deutschen Anwender keinerlei Vertrauen in die Lizenzpolitik des kalifornischen Unternehmens. Das geht aus einer aktuellen Nutzerumfrage mit etwa 200 Teilnehmern hervor.
“In den letzten zwei Jahren hatten wir die Support-Problematik aus Nutzersicht beleuchtet, doch hier hat Oracle jetzt einiges getan. Erst im Frühjahr dieses Jahres sind bei uns als Ansprechpartner die ersten Fragen zur Lizenzpolitik in einer Weise und Anzahl aufgeschlagen, die wir nicht mehr ignorieren konnten”, sagt Rolf Scheuch, Vorstand der Doag. Daher habe die Gruppe eine Umfrage gestartet, um einen Überblick über die Relevanz der Fragen auch an den Hersteller und die Öffentlichkeit weiterzugeben. “Ganz grundsätzlich sind die Oracle-Anwender zufrieden mit ihren Produkten, aber steigende Bedürfnisse ziehen mehr Probleme nach sich”, so erklärt er die hohe Zahl der Unzufriedenen.
Nur durch kontinuierliche Informationspolitik könne das Unternehmen hier wieder ein Gleichgewicht und mehr Vertrauen schaffen. “Die Lizenzpolitik als Regelwerk und dessen Interpretation zur Preisfindung beim Kauf, sowie die genaue Klärung von Einsatzbedingungen für die Oracle-Produkte – darum dreht sich die aktuelle Sorge der aktiven Anwender”, sagt er. Und genau hier vermissen Anwender wie Andreas Frings, Leiter Kompetenzcenter Datenbanken bei IZB Soft, die Transparenz. Er geht mit den 52 der insgesamt Befragten knapp 200 IT-Profis mit, wenn sie bei der Doag-Umfrage angeben, die Transparenz der Lizenzen bei Oracle sei im Jahresverlauf schlechter geworden.
“Viele Anwender haben sich sicher noch nie so tief in die Lizenzfragen eingearbeitet, aber oft scheitert es auch an den Informationen, die das Herstellerunternehmen sich abringen lässt, das ist oft mit viel Mühe für den Anwender verbunden”, sagt Frings. Und wenn dieser nicht wisse, was genau er braucht, dann fingen die Probleme erst an. “Ich will als Anwender von Oracle keine Holschuld zugeschoben bekommen, ich brauche keine Links auf irgendwelche Hilfe-Seiten, die ich mir erst suchen muss – was ich will, ist eine klar erkannte Informations-Bringschuld des Unternehmens Oracle”, betont er. Diese müsse zudem individuell, auf den Kunden angepasst, daherkommen. Er kann sich vorstellen, dass der Kundenbetreuer einfach besser über die Preisfragen informiert ist. Und auch das, so räumt er gleich mit eventuellen Vorurteilen auf, sei keine Sorge des Kunden, sondern eine Sache, die Oracle anpacken müsse. Er rechnet aber auch fest damit, dass Oracle sich hier bewegen wird.
Gerade bei zunehmender IT-Konsolidierung, das bestätigt Fried Saacke vom Doag-Vorstand, würden auch die Bedürfnisse der Kunden nach Anpassung der Lizenzen individueller. Er kennt die Anfragen der Anwender bei großen Mittelständlern und Großunternehmen, die zum Teil hochkomplexe, historisch gewachsene Strukturen mit bis zu zehn verschiedenen Lizenzmodellen von einem Hersteller allein konsolidieren müssen. Hier fordert er als Anwalt der Kunden Kulanzbereitschaft seitens Oracle ein.
Am Beispiel eines anderen Kunden lässt sich beim Jahrestreffen der Doag und der Oracle GmbH in München feststellen, dass auch die Flexibilität bei Oracle aus Kundensicht nicht perfekt ist. Carsten Kaftan, Teamleiter Datenbankadministration bei Sanacorp Pharmahandel beschwert sich, dass eine komplexe externe Struktur und ein vorausblickender Hardware-Einkauf dem Unternehmen unter Umständen auf die Füße fallen kann.
Eine 52-Prozessor-Maschine im Haus, so beschreibt er seine Situation, erfordere jetzt einen Nachkauf von bis zu 500 Nutzerlizenzen. Sämtliche Versuche, mit Oracle zusammen dieses Problem zu lösen, bezeichnete er als “sehr konstruktiv und von gutem Willen geprägt, aber letztendlich ergebnislos”. Auf der teuren Nachlizenzierung bleibt sein Unternehmen sitzen, weil die Oracle-Lizenzen vorschreiben, dass eine bestimmte Prozessorenzahl eine fest definierte Mindestzahl an Nutzerlizenzen automatisch mit einschließt. “Was bei uns tatsächlich benötigt würde, wären vielleicht 100 Lizenzen, da sind wir tatsächlich drüber gewesen und müssen nachzahlen, aber kaufen müssen wir jetzt 500”, äußert er mit Bedauern.
Seitens Oracle, vertreten durch Günther Stürner, Vice President der Datenbank- und Servertechnik-Abteilung, wird genau diese Lizenzpolitik als transparent bezeichnet. “Vor zwei Jahren noch gab es einen ganzen Wald von Lizenzbestimmungen, heute haben wir die Möglichkeit, eine übersichtliche Website mit allen Anforderungen zu füllen, im Ausdruck sind das knapp 60 Seiten Papier”, hält er dagegen. Und: Je individueller die Kundenwünsche bei einer Lizenzkonsolidierung, desto mehr müsse die allgemeine Transparenz der Preise darunter leiden. Er gibt zu bedenken, dass seit kurzem eine Schlichtungsstelle für Lizenzfragen im Aufbau sei, die in Streitfällen objektiv vermitteln und Lösungen finden soll. Er kenne kein Softwareunternehmen, das seinen Kunden so weit entgegen komme, meint er.
Er gibt aber noch einen Ausblick, der den Lizenzdschungel, wie er sich heute darstellt bald endgültig roden kann: “Grids diktieren geradezu eine vollkommen andere Lizenzierung, als wir sie heute kennen; weder nach Prozessoren noch nach Usern oder Netzknoten, sondern nach erfolgten Transaktionen oder nach Operationen wird man vielleicht in Zukunft abrechnen müssen – darauf müssen wir uns alle einstellen.”