Halbzeitbilanz: Bayerische Justiz migriert von Unix auf Windows
Wie das Justizministerium des Freistaats seine 12.300 Arbeitsplätze neu strukturiert
Die bayerische Justiz hat besseres zu tun, als sich um die Modernisierung ihrer IT-Infrastruktur zu kümmern. “Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben auch Outsourcing-Erfahrung, aber bislang ist Bayern das einzige Land, in dem das Justizministerium neben Projekten und einzelnen Prozessen den gesamten Betrieb der IT-Systeme in fremde Hände gelegt hat”, sagt stolz Walter Bredl, der Leiter des IT-Referats im Bayerischen Justizministerium. Der Partner heißt Unisys und er modernisiert die IT-Infrastruktur von Grund auf. Die beiden Geschäftspartner haben zur Halbzeit des etwa 80 Millionen Euro schweren Projekts eine positive Zwischenbilanz gezogen.
Den Auftrag, der vor zwei Jahren ausgeschrieben worden war, bezeichnete Oliver Schwartz, General Manager Deutschland von Unisys, als geradezu maßgeschneidert für das Unternehmen. “Wir helfen, insgesamt 12.300 Arbeitsplätze umfassend und zukunftssicher auf den elektronischen Rechtsverkehr in Bayern vorzubereiten – bislang ohne Verzug im zeitlichen und finanziellen Budget-Rahmen.” Das gehe nur, weil die Verzahnung mit dem Kunden extrem eng sei. So seien unter anderem drei eigens gebaute Zentren für IT-Betrieb und Testvorhaben von Angestellten beider Partner in München, Schweinfurt und Pegnitz bevölkert. Bislang 11.000 Anfragen einzelner Justizmitarbeiter bei Unisys zu allgemeinen Fragen und zu Themen wie “Sicherheit von PDAs und USB-Sticks im IT-Systemalltag” sprächen hier ebenfalls eine deutliche Sprache.
Bredl erklärt dies aus der Historie der IT-Abteilung heraus: “Wir hatten alte Technik aus verschiedenen Unix-Systemen, dazu eine 400 Mitarbeiter starke IT-Abteilung, die sich formell nur mit IT beschäftigte, in Wirklichkeit jedoch alle denkbaren Mischaufgaben abwickelte. Das machte die Service-Qualität bei der Betreuung der Arbeitplätze natürlich genauso ‘gemischt’.” Jetzt soll eine eigens in Amberg eröffnete IT-Beratungsstelle das schaffen, was der Regierungsdirektor Bredl als ‘one face to the customer’ bezeichnet. Etwa 40 Arbeitsplätze sollen hier die eigentliche Arbeit der Administration und Betreuung leisten – klar fokussiert auf diese Kernkompetenz.
Mit der Halbzeit, so Bredl, sind jetzt 6000 der Arbeitsplätze modernisiert. 40 der geplanten 80 Serverzentren sind live, die alten Systeme konsolidiert. “Für unsere hohen Ansprüche an Security und Datenschutz baut jetzt Unisys für uns einen Datentresor, der sensible Daten auch im Falle eines IT-Problems für jeden, selbst für das IT-Reparatur-Team, unlesbar macht”, so Bredl.
Die Security hat er aber auch als ein zweischneidiges Schwert erfahren. So seien beim Aufbau von Tele-Arbeitsplätzen Widersprüche aufgetaucht. “Wir hatten uns die Anpassung einer Security-Vorrichtung an die gefährdeten Datenwege durchs Internet einfacher vorgestellt”, sagt Bredl. “Aber jetzt sind die ersten Arbeitsplätze, die für Kollegen im Mutterschutz beispielsweise eingerichtet werden sollen, auf dem richtigen Weg – dafür haben wir aber etwas länger gebraucht, als gedacht.” Der Einsatz einer so genannten Schleuse soll jetzt die sensiblen Daten schützen. “Das war eine Spezialanfertigung, die unser Partner extra für uns entwickelt hat und die weltweit einmalig ist”, sagt er. Auch hierbei betreut Unisys nicht nur die Hardware, sondern auch die Anwendungen auf den Systemen.
Speziell für die Rechts- und Staatsanwälte sowie sämtliche Rechts- und Bewährungshelfer Bayerns haben die IT-Fachleute von Unisys auch die Serverüberwachung angepasst. Dabei kommt bayernweit Cisco-Technik zum Einsatz, die von den Kunden “in ausgesprochen seltener Tiefennutzung” eingesetzt wird, wie Wolfgang Bauer, IT-Leiter des Service- und Betriebszentrums, es nennt. ‘CiscoWorks’ sei die Software, die alle Netzsysteme bis in die Tiefen des Stromflusses akribisch kontrolliert und sofort Laut gibt, wenn etwas nicht stimmt.
Dasselbe gelte für die Server: “Hier haben wir die Software ‘Server Patrol’ von BMC im Einsatz und können in höchster Granularität alles bis hinunter zu Strom und Kühlungszustand in einzelnen Komponenten bayernweit erkennen.” Auf einer Bayern-Karte würden die IT-Systeme so ständig überwacht.
Ein Ticket-System für die Kontrolle und Verfolgung von Fehlern sorge für maximale Transparenz. Bauer erklärt: “Deshalb können wir von hier aus per Fernabfrage im System 90 Prozent aller auftretenden IT-Fälle, vom Ausfall, Absturz, Reboot bis hin zu Updates, automatisierten Aufspielungen und Patches erledigen – nur für zehn Prozent der Probleme muss tatsächlich ein Techniker ins Auto steigen und vor Ort etwas anfassen.” Die meisten Fragen in der Windows-dominierten Landschaft seien so lösbar – oft mit ganz trivialen Mitteln. Einer der IT-Mitarbeiter drückt es so aus: “Das ist eben Windows – Reboot tut immer gut.”