Das neue Linux-Kernel strotzt vor Funktionalität
Mit dem Update auf den Linux-Kernel 2.6.0 könnten sich neue Anwendungsbereiche für das Open-Source-Betriebssystem ergeben.
“Der Biber hat seinen Entzug hinter sich.” Mit diesem lapidaren Zitat kündigte Linux-Schöpfer Torvalds die neue Kernel-Version seines Betriebssystems an, das mit vielen neuen Features aufwartet. Die beiden letzten Testdurchläufe nannten sich ‘Stoned Beaver’ und ‘Beaver in detox’, daher die Anspielung auf den Abschluss der Entziehungskur des Bibers. Das letzte große Release 2.4 liegt nun schon beinahe zwei Jahre zurück.
“Der Patch ist nicht so vollkommen fehlerfrei, wie ich es mir erhofft hatte”, schrieb Linux-Gottvater Linus Torvalds in einer Kernel-Mailing-Liste, “aber wenn ich mir die Bugs so anschaue, an denen ich persönlich gearbeitet habe, dann schaut die Sache eigentlich ganz gut aus.” In der neuen Version gebe es nur noch ein paar obskure Fehler, die aber nur bei Rechnern mit 16 oder 32 CPUs und fehlerhaften Festplatten auftauchen.
Diese letzten Bugs könnten allerdings schon sehr bald relevant werden, denn mit der neuen Version kann das Betriebssystem auch auf sehr großen Rechnern mit einer Vielzahl an Prozessoren laufen. Solche Anwendungen waren bislang eine Domäne von proprietären Unix-Betriebssystemen. Das neue Release ist für bis zu 32 CPUs optimiert, die 64-Wege-Unterstützung ist in Arbeit. Die Version 2.4 war für maximal acht Prozessoren optimiert.
Interessant ist auch die Skalierbarkeit nach unten. Für Kleinstanwendungen kann der Kernel durch Weglassen von Features schlanker gemacht werden. Mit der Variante uClinux steht ein echtes Embedded-Betriebssystem zur Verfügung, das vor allem die Microcontroller der 68K-Serie von Motorola unterstützt.
Apropos Prozessoren: Bei Release 2.6 werden 32- oder 64-Bit-CPUs vorausgesetzt. Zu den bisher unterstützten Architekturen sind arm26 und v850 hinzugekommen. Aus der 64-Bit-Welt sind AMD64, Intels IA64 und Suns Sparc64 dabei.
Verbesserungen gab es auch im Bereich Speicher. Die neue Volumenmanagement-Software ermöglicht flexibleren Schreib- und Lesezugriff auf Festplatten. Laufwerke können zusammengeschlossen werden, sodass man zwischen zwei Festplatten hin und her schalten kann, ohne das Programm, das gerade den Datensatz bearbeitet, zu stören. Auch ist die 2 Terabyte-Begrenzung mit der neuen Version aufgehoben.
Auch für den Desktop und kleine Server hält das neue Linux Verbesserungen parat. So wird die Hyperthreading-Funktion besser unterstützt. Damit kann man einen Pentium 4 Chip in zwei logische Einheiten partitionieren, wodurch die Leistung um etwa 30 Prozent erhöht wird. Hinzu kommen Unterstützung von USB 2.0, CAPI 2.0, AGP 3.0, ACPI, IPMI und IPsec in einer neuen Implementierung. Neben den neuen Treibern und Verbesserungen beim Dateisystem werden jetzt auch virtuelle Server unterstützt, und es gibt verschiedene Sicherheits- und Kryptografiemodule.
Aber nicht alles wird besser, erklärte Chef-Programmierer Morton. So arbeite das System etwa 1 Prozent langsamer als sein Vorgänger. Das kommt daher, weil der neue Kernel statt 100 Mal in der Sekunde jetzt 1000 Mal neue Ereignisse abfrägt. Auch werde mehr Speicherplatz benötigt. Und die Performance ist etwas schlechter, wenn es bei starker Beanspruchung den Arbeitsspeicher auf die Festplatte ausdehnt.
Bis der neue Kernel in einer Distribution für den professionellen Einsatz zu haben ist, werden noch ein paar Monate vergehen. So hat Red Hat angekündigt, erst 2005 in seinem Enterprise Linux 4 den Kernel einbauen. Der zweitgrößten Verkäufer des Betriebssystems, die Nürnberger Suse, will schon im kommenden Sommer die neue Version in die Suse Enterprise Linux 9 integrieren.