München hält an Linux-Migration fest
München will offenbar doch an der Migration zu dem quelloffenen Betriebssystem Linux festhalten.
München will offenbar doch an der Migration zu dem quelloffenen Betriebssystem Linux festhalten. Oberbürgermeister Christian Ude nannte die Aussetzung der Ausschreibung des Projektes, eine “Denkpause”. Ein Stadtrat der Grünen hatte vor rechtlichen Konsequenzen wegen der Softwarepatente gewarnt.
Zuvor hatte sich das Bundesjustizministerium für eine Art der Patentierbarkeit von Software ausgesprochen, die die Rechtslage für das ehrgeizige Münchner Projekt “diffus” erscheinen ließ. Der Bürgermeister fordert jetzt Klarheit und Rechtssicherheit, wie sie durch den EU-Parlamentsbeschluss vom September 2003 geherrscht habe, was auch die Entscheidung der Stadtverwaltung mit beeinflusst habe.
Doch die Stadtverwaltung will nach wie vor an dem Projekt festhalten, 14.000 Arbeitsplätze auf Linux umzustellen, auch wenn noch unklar sei, welche konkreten Auswirkungen die Veränderungen des EU-Patentrechts auf das LiMux-Projekt hätten. “Wir leugnen die Unsicherheit nicht”, entgegnete Ude an die Adresse der CSU, die vor finanziellen Unwägbarkeiten gewarnt hatte. Die Stadtverwaltung räume diese Unsicherheiten ein, wolle sie aber ausräumen. Nun will der Oberbürgermeister ein Rechtsgutachten in Auftrag geben, um den Einfluss der EU-Entscheidung auf Open-Source-Projekte prüfen zu lassen.
“Wir hoffen, dass die Überprüfung in zwei bis drei Wochen abgeschlossen ist”, erklärte ein Rathaussprecher gegenüber silicon.de. Und anschließend könne “hoffentlich” auch die Ausschreibung beginnen, die nach wie vor ausgesetzt ist. Aktiv laufe derzeit noch das Teilnehmerverfahren, so der Sprecher. So erklärte auch OB Ude, dass “es keine Aussetzung der Ausschreibung ist, sondern lediglich eine Denkpause von wenigen Tagen”.
Dennoch “bleibt es dabei, dass sich die Stadt München für Open Source entschieden hat”, erklärte Ude. Gutachten und der Teilnehmerwettbewerb sollen bis zum Herbst abgeschlossen sein. Sollte sich dann die Unbedenklichkeit des Betriebssystems erweisen, werde sofort mit der Ausschreibung begonnen.
Bereits im September 2003 hatte das EU-Parlament eine Richlinie zu der Patentierung von “computer-implementierten Erfindungen” verabschiedet, die dem Münchner Projekt Rechtssicherheit gewährleistete. Nach heftigen Debatten wurde aber Mitte Mai dieses Jahres vom EU-Ministerrat ein neuer Entwurf vorgelegt, deren Formulierung weitaus mehr Patentklagen zulassen würde.
“Es bestehen Befürchtungen, dass es sich – trotz der Äußerungen aus dem Bundesjustizministerium – bei dem von der Bundesregierung in Brüssel unterstützten EU-Ministerrats-Entwurf um einen Vorschlag handelt, bei dem deutlich mehr Patente einklagbar sind und die Grenzen dessen, was einklagbar ist und was nicht, sehr schwer zu ziehen sind”, so Ude. Der Bürgermeister sieht generell eine Gefahr darin, dass gerade mittelständische Unternehmen nicht mehr in dem Maße innovativ sein könnten. Im Vorfeld jeder neuen Entwicklung wäre eine Fülle von Recherchen notwendig um sicherzugehen, dass bei innovativen Software-Lösungen keine Patente verletzt würden.
In den USA, wo Patente auf Software bereits möglich sind, bestünden laut Presseberichten rund 300 Patente, die von dem Linux-Kernel tangiert werden. Bislang ist aber SCO das einzige Unternehmen, das Klagen gegen Linux-User eingereicht hat. Doch das ist laut Ude längst kein Freibrief für die Zukunft. “Gerade internationale Großkonzerne vertreten in den USA keine ablehnende Haltung gegenüber so genannten ‘Trivialpatenten'”. Vor diesem Hintergrund könnten Klagen auch gegen die öffentliche Verwaltung oder kleine und mittelständische Unternehmen, die gegen die die Patente Verstoßen, angestrengt werden.
“Regierungen sollten ihre TCO-Modelle (Total Cost of Ownership) auch mit Posten mit Kosten und Werten für legale und politische Faktoren anreichern”, glaubt Gartner-Analyst Andrea di Maio. Doch das legale Risiko sollte nicht überbewertet werden. Daneben seien aber auch “die positiven Effekte auf die lokale wirtschaftliche Entwicklung, die so eine große Migration haben könnte, zu berücksichtigen und in die Kalkulation mit einzubeziehen. Dadurch würden auch die Region im Wettbewerb mit anderen Kommunen profitieren. Der Marktforscher weiter: “Regierungen, die eine Migration zu Open-Source-Software erwägen, sollten beobachten, was München und Wien tun.”