Pro und Contra: Windows 7 ohne IE

Die neue Windows-Generation soll besser als die alte sein, verspricht Microsoft und hat sich – mit Blick auf Wettbewerbsbedenken der EU-Kommission – dazu entschlossen, Windows 7 in Europa ohne Internet Explorer auszuliefern. Ob das Rück- oder Fortschritt ist, diskutieren die silicon.de-Redakteure Anja Schütz und Sibylle Gaßner.




Ein Fortschritt: Anja Schütz

Natürlich braucht man einen Browser, um das Internet zu nutzen. Aber braucht man wirklich den Internet Explorer? Schließlich ist Windows 7 ja kein Software-Rundum-Paket, sondern eigentlich ein Betriebssystem! Außerdem kann so jeder entscheiden, was er auf seinem Rechner braucht und was nicht. Der eine oder andere wird sich jetzt fragen, wie er denn nun ins Internet kommt? Viele Nutzer wird es hingegen sogar freuen – hurra, endlich kein lästiger IE mehr, der sich sonst immer wie eine Klette auf dem System eingenistet hat und nur teilweise wieder zu entfernen war.

Dieser Radikaleinschnitt von Microsoft gleicht dennoch einer kindlichen Trotzreaktion gegenüber den EU-Wettbewerbshütern. Wenn, dann soll keiner einen Browser haben – dachte sich Microsoft wohl bei der Entscheidung, Windows 7 ohne den Internet Explorer 8 anzubieten. Der Gedanke der EU, dass die Internetnutzer eigentlich die größere Auswahl an Browsern haben sollen, hat sich jetzt umgekehrt. Der Nutzer hat nun einen Browser weniger! Das muss jedoch nicht unbedingt schlecht sein. Sicher ist, dass der IE das Monopol unter den Browsern inne hat, doch man sollte auch den anderen guten Browsern eine Chance auf einem Windows-System geben. Microsoft als Samariter – mal was ganz Neues! Doch das Unternehmen wird letztendlich davon ausgehen, dass die meisten Internetnutzer, sei es aus Unwissenheit oder Gewohnheit, wieder den IE auf ihrem neuen System installieren.

Das IE-freie Windows 7 hat große Vorteile für den PC-Markt mit vorinstalliertem Windows. Denn die Computerhersteller können dann auch andere Browser wie Firefox, Opera oder Chrome vorinstallieren und so den Kunden verkaufen. Viele Computerhersteller werden wohl auch so schlau sein und ihren Kunden gleich den IE vorinstallieren. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann kann der Nutzer vorerst auch einen anderen Browser nutzen, um sich dann den neuen IE 8 herrunterzuladen. Wer sein altes System mit Windows 7 auffrischen will, kann sich vorher auch einfach einen Browser auf einem Speichermedium sichern und nach der Installation von Windows 7 gemütlich installieren.

Fazit: Endlich kann jeder selbst entscheiden, was er auf seinem Rechner braucht und was nicht. Und: Erst ohne vorinstalliertem Internet Explorer wird der Blick frei für die Vielfalt des Browser-Marktes.

Ein Rückschritt: Sibylle Gaßner

Die EU-Kommission meckert: Man habe Microsoft vorgeschlagen, den Kunden mehr Freiheit bei der Browserwahl zu ermöglichen. Stattdessen habe der Konzern sich dazu entschlossen, dem Kunden nicht mehr, sondern weniger Auswahl zu bieten, heißt es in einer Stellungnahme. Das sei ein Rückschritt für die Verbraucher. Das ist es allerdings. Schließlich ist das Szenario alles andere als erfreulich: Ich kaufe einen neuen Computer, ein neues Laptop – und stehe erst mal ohne Zugang zum Internet da. Wie unpraktisch. Denn um schnell und unkompliziert aus dem jüngst florierenden Browser-Angebot auswählen zu können, wäre es überaus hilfreich erst einmal ins Internet zu kommen.

Aber das ist doch kein Problem, rufen nun die Techies dieser Welt. Doch, ist es schon! Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, um an einen Browser zu kommen – aber Otto-Normal-Anwender muss sich diese erst einmal erschließen. Jahrelang hatte er mit Windows eine Art All-inklusive-Paket gebucht. Nun wird er unvermittelt gezwungen, den IT-Individualisten in sich zu entdecken.

Auch der Psycho-Faktor ist nicht zu unterschätzen: Allein der Gedanke an Windows ohne Explorer muss Nutzern wie eine Amputation vorkommen. Microsoft mag noch so sehr beschwichtigen, die europäischen Verbraucher hätten noch immer all die wunderbaren Funktionalitäten von Windows 7, nur eben nicht den Explorer. Entschuldigung, aber daran glaubt Microsoft doch selbst nicht. Gerade der Internetbrowser ist keine Kleinigkeit, sondern ist in den vergangenen Jahren zunehmend zur zentralen Schaltstelle am Computer geworden. Microsoft muss ohnehin fürchten, dass Windows in der Computerwelt an Bedeutung verliert. Das wird nicht damit zu stoppen sein, den Verbrauchern bei Windows einen Internetbrowser vorzuenthalten.

Was Microsofts Entscheidung in der Praxis bedeutet, wird sich noch zeigen müssen. Nur fünf Prozent aller Windows-Lizenzen werden laut EU ohne PC verkauft – und: die Computerhersteller können weiter den Browser ihrer Wahl vorab installieren. “Computerhersteller können den Internet Explorer, den Microsoft kostenlos anbietet, einen anderen oder auch mehrere Browser installieren”, sagte die EU-Kommission. Zum Glück

Fazit: Windows 7 ohne Internet Explorer bringt den Nutzern nicht mehr Freiheit. Stattdessen werden sie gezwungen, selbständig Software zu organisieren, die unbedingt zur PC-Grundausstattung gehört.


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