HP: Mehr Vision als Strategie?
Bei seinem ersten wirklich großen öffentlichen Auftritt als neuer CEO von Hewlett-Packard hat Léo Apotheker eine neue Strategie für den Technologie-Riesen vorgestellt. Analytische Software und eine Public Cloud sollen die Zukunft für den – gemessen am Umsatz – weltgrößten PC-Hersteller sichern.
“Wir werden einen offenen Marktplatz bauen”, verkündete Apotheker bei seiner Rede in San Francisco vor Analysten. Dieser Marktplatz werde neben Anwendungen für Verbraucher auch Unternehmenssoftware beinhalten.
“Wir bewegen uns immer weiter auf das Software-as-a-Service-Modell zu”, erklärte Apotheker. Der Top-Manager, der ja zuvor lange Jahre bei SAP Erfahrung im Software-Business sammelte und dem ERP-Spezialisten auch als CEO vorstand, will bei HP natürlich auch das Thema Software vorantreiben.
HP wolle sich nun vor allem auf Management und Sicherheit, Informationsverwaltung, Analytics und eben das Cloud-Computing konzentrieren. Ticketing-Systeme für Fluglinien oder auch Software für die Digitalisierung könnten Beispiele für Cloud-basierte Services sein, so Apotheker. Damit könnte HP vom PC bis hin zum Cloud-Service eine vollständig integrierte Wertschöpfungskette anbieten.
Gleichzeitig wolle HP auch weiterhin die Partnerschaft mit großen “transaktionalen Systemen”. Enge Partnerschaften haben bei HP bereits eine lange Tradition und diese soll wohl beibehalten werden. Ein aktuelles Beispiel für eine Kooperation ist die Bündelung von Microsofts SQL-Server mit HP-Hardware für eine analytische Appliance.
Doch offenbar hat HP noch weiterreichende Pläne für analytische Technologien. HP könne hier deutlich freier am Markt agieren als Konkurrenten, glaubt Apotheker. Schließlich müsse sich HP nicht um eine installierte Basis und auch nicht um einen bestehen Markt sorgen.
Apotheker stellte dabei die wenige Wochen alte Akquisition des Startups Vertica in den Mittelpunkt. HP will damit endlich zu einem ernstzunehmenden Player im Bereich Business Intelligence werden. Dabei will sich HP vor allem auf “Big Data” – seien sie nun strukturiert oder unstrukturiert – konzentrieren. Mit dem Abschluss der Übernahme wird HP Veritca-Appliances anbieten können. Außerdem soll die Analyse-Technologie als on-Prem-Software-Lösung oder auch als Cloud-Service angeboten werden. HPs Scheitern mit Neoview hat bereits gezeigt, dass der Markt auf einen weiteren Analytics-Anbieter nicht unbedingt gewartet hat. Allerdings muss sich HP hier bewegen.
HP will einen “optimierten traditionellen Stack”. Allerdings lässt Apotheker offen, wie er dieses Ziel erreichen will. Quelle: CBS Interactive
Oracle schnürt mit Exadata eine analytische Appliance und IBM zeigt mit der Netezza-Plattform ebenfalls ein beeindruckendes Bündel aus Hardware und Software für diesen Einsatzzweck. So ist es zwar richtig, dass HP kaum eigene Produkte im Bereich Business Intelligence anzubieten hat, dennoch hatten und haben die Partnerschaften mit den verschiedenen Anbietern bei HP doch auch relativ großes Gewicht. Vermutlich wird sich HPs Strategie hier nicht ohne Übernahmen bestreiten lassen. Apotheker erklärte daher auch, dass HP eine “disziplinierte Akquisitionsstrategie” haben werde, was auch immer er damit sagen will.
“Ja, HP ist stark, aber wir sehen auch, dass sich die Welt schneller als je zuvor verändert”, weiß Apotheker. Entwickler würden sich auf offene Innovationen verlassen und HP verfolge die Vision, dass jede Transaktion von Informationen und Daten eine personalisierte Sicht bekomme. Aber: “Diese Vision verlangt Marktführerschaft bei Verbrauchern, mitteständischen Unternehmen und Konzernen.”
Printer und PCs sind nach wie vor Teil von HPs Strategie, jedoch sucht man sie auf der neuen HP-‘Roadmap’ vergeblich: Cloud, Connectivity, Digitalisierung, Sicherheit und Services heißen die neuen Standbeine jetzt. Eine bruchfreie, sichere, Kontext-basierte Erfahrung in einer “Connectet World” will HP anbieten und damit auch dem verschmelzen von Consumer- und Business-Welt Rechnung tragen. “Im Kern dieser Strategie steht Konnectivität und Cloud Computing”, so Apotheker. HP wolle den “traditionellen Stack optimieren”. Dazu gehörten eben auch Drucker und PCs, mit denen HP nach wie vor große Gewinne mache. Aber vor allem versteht HP unter dem Stack mobile Geräte, einen offenen Cloud-Marktplatz, Cloud-Services und eine hybride Infrastruktur in Unternehmen. Ein entsprechendes Cloud-Angebot wolle HP “in naher Zukunft” vorstellen.
Ab dem Sommer will HP ein WebOS-basiertes Touchpad auf den Markt bringen, das an der Marktführerschaft von Apples iPad kratzen soll. Ab dem nächsten Jahr wird HP alle PCs und Laptops neben Windows auch mit WebOS bestücken. Damit kann der Hersteller schnell eine riesige installierte Basis von WebOS generieren und so in relativ kurzer Zeit 100 Millionen WebOS-Geräte in den Markt bringen. Apple hat bislang rund 160 Millionen iOS-basierte Geräte verkauft. Apple bewegt sich damit in einer Größenordnung, die langsam auch Microsoft nicht mehr ganz geheuer ist. Und nun will auch noch der Microsoft-Partner HP eigene Wege gehen: “WebOS sorgt für eine einheitliche Nutzerschnittstelle zu Hause, im Geschäft und im Großunternehmen”, so Apotheker.
Gartner-Analyst Mark Fabbi sieht in der neuen strategischen Ausrichtung HPs zwar viel Potential, jedoch habe Leo Apotheker in seiner Antrittsrede es versäumt, deutlich zu machen, wie HP diese Strategie umsetzen will und wie die genannten Ziele erreicht werden sollen. Gegenüber dem Wall Street Journal kommentierte Fabbi, dass dies sehr viel wichtiger sei “als das nächste Widget oder die nächste Übernahme”.