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Software-Tools lichten den Lizenz-Dschungel

Bezahlen Anwender zuviel für ihre Software? Beim Thema Lizenzen gehen die Meinungen stark auseinander. Hersteller und Reseller stellen oft in den Betrieben zu wenige Lizenzen fest. Marktforschungsunternehmen wie Gartner oder KPMG sehen beim Softwarekauf in Unternehmen mit über 5000 Mitarbeitern hingegen Einsparungspotential bis zu 60 Prozent.
Die Marktforscher glauben, dass nur rund 70 Prozent der gekauften Software auch dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. In vielen Unternehmen fehlt schlicht der Überblick über Lizenz-Bestände und Support-Verträge. Dabei sind auch diese Posten als immaterielle Vermögensgegenstände bilanzrelevant. Wer aber mehr kauft, als er braucht, bezahlt auf jeden Fall zuviel. Auf der anderen Seite entsteht durch Unterlizenzierung auch ein rechtliches Risiko. Die Verantwortlichen können straf- oder zivilrechtlich belangt werden.

Und den CIOs wird es nicht unbedingt leicht gemacht, sich in dem Dickicht der Lizenzen zurechtzufinden: “Es gibt einfach viel zu viele Lizenzmodelle”, erklärt Bastian Brand von Fair Computer Systems aus Nürnberg. Das Unternehmen bietet neben Lizenzmanagement-Beratung auch ein entsprechendes Software-Tool an. “Die einen lizenzieren nach Servern, andere per Client, andere rechnen nach ganz anderen Modellen ab, das ist so verzwickt, dass wir zum Teil Probleme haben, das in Software abzubilden”, erklärt Brand. Und auch andere Hersteller hätten diese Probleme, “auch wenn sie es nicht zugeben”.

Trotz dieser Schwierigkeiten werden die Zahlen der Gartner-Analysten mit einer gesunden Skepsis betrachtet: “Wer mit Lizenzmanagement Einsparungen in Höhe von 30 Prozent erreicht, hat sich nach meiner Ansicht mit dem Thema noch überhaupt nicht beschäftigt”, erklärt Erwin Zattler, CIO von Sanacorp Pharma, einem Großhandel für Arzneien in Planegg bei München. Für ihn ergeben sich durch die verbesserte Organisation andere Vorteile. “Wir lassen unsere Desktop-Lizenzen von einem externen Anbieter verwalten und stellen fest, dass wir jetzt zwar unsere IT optimal verwaltet haben, uns dadurch aber letztlich keine Kosten sparen.”

Unter- oder überlizensiert?

An manchen Stellen sei das Unternehmen überlizenziert gewesen, in anderen Abteilungen fehlten hingegen Lizenzen. Das habe sich aber in etwa die Waage gehalten. “Wir haben jetzt keine Lizenzen mehr zuviel und sind optimal verwaltet”, erklärte Zattler. Da “Lizenzen in ihrer Abbildung sehr schwierig” seien und die Modelle der Hersteller oft wechselten, habe er sich dennoch für ein externes Management entschieden, so Zattler.

Dabei ist ein externer Dienstleister sicherlich nicht immer notwendig. “Wir arbeiten mit einer selbstgeschriebenen Software”, sagt Severin Canisius, CIO des Outdoor-Ausrüsters Jack Wolfskin. Das Programm zu entwickeln sei nicht sonderlich schwierig gewesen. “Es geht darum nachzuzeichnen: Was haben wir für Maschinen und was sind da für Lizenzen drauf”. Den Schritt, ein eigenes Tool zu entwickeln, erklärt der IT-Manager so: “Die am Markt angebotenen Produkte waren uns zu teuer, und für unsere Zwecke reicht ein einfaches Tool.” Er betreut bei dem Hersteller neben verschiedenen Servern rund 200 Arbeitsplätze. Sein Unternehmen sei ein “reiner Microsoft Anwender”. Man könne sich zwar über das Lizenzmodell des Herstellers streiten, aber zumindest “ist es transparent”.

Gerade mangelnde Transparenz ist für viele Anwender ein großes Problem. “Die Hersteller verlangen auf der einen Seite von den Kunden genau zu wissen, was sie haben, bieten aber andererseits keine oder nur sehr schlechte Reporting-Möglichkeiten”, so Bernhard Böhler, Geschäftsführender Gesellschafter bei dem Softwarehaus Aspera. Aspera bietet externes Softwarelizenzmanagement und hat dafür auch eine spezielle Software entwickelt. Oftmals tauchen auf Rechnungen nur die Information ’10 Mal ProgrammX’ auf, weitere Informationen sind nicht vorhanden. Eine Hersteller-Artikelnummer fehlt auf den Abrechnungen meist völlig.

“Und das ist durchaus im Interesse der Hersteller”, erklärt Böhler. Durch eine ordentliches Lizenzmanagement könnten die Kunden in der Regel bis zu 15 oder gar 30 Prozent Kosten einsparen. Würden Hersteller solche Verwaltungsmöglichkeiten unterstützten, “dann schrauben sie sozusagen ihre Verkäufe herunter, daher ist eine solche Unterstützung so gut wie nicht vorhanden”. Microsoft, Oracle und Adobe bildeten hier neben einigen anderen Ausnahmen. Sie helfen ihren Kunden in dieser Hinsicht, so der Aspera-Geschäftsführer.

Es gibt Spielräume

Offenbar haben Unternehmen wie Oracle bei Lizenzverträgen auch einen gewissen Spielraum. Im Zuge einer der letzten Oracle-Anwenderkonferenzen kamen Probleme mit den Lizenzen des Datenbankherstellers ans Licht. Sanasoft Pharma hätte rund 300 Lizenzen nachkaufen sollen, denen aber kein Bedarf gegenüberstand. “Wir haben uns jetzt mit Oracle geeinigt”, erklärte Carsten Kaftan, Teamleiter für die Datenbankadministration bei Sanacorp. So werde jetzt per Prozessor abgerechnet und nicht mehr anhand von Usern. Vielleicht war auch das Medienecho mitverantwortlich, dass es “schnell zu einem Ergebnis” bei den Verhandlungen kommen konnte.

Ob mit oder ohne Dienstleister, selbstgestricktem oder professionellem Tool, die Notwendigkeit eines geordnetem Managements leuchtet schnell ein. Dennoch schrecken viele Unternehmen vor dem Schritt zurück, ein grundlegendes Lizenzmanagement einzuführen. Die erste Hürde ist der erhöhte organisatorische Aufwand und die mit der Einführung zusätzlicher Tools verbundenen Kosten. Ein gezieltes Lizenzmanagement wird aber auch durch die Tatsache erschwert, dass meist verschiedene Abteilungen mit dem Thema beschäftigt sind.

In größeren Unternehmen sind von der Geschäftsleitung und dem CIO über den Einkauf bis hin zu einzelnen Projektgruppenleitern eine Vielzahl von Verantwortlichen mit dem Neuerwerb von Lizenzen beschäftigt. Da kann die Übersicht schon mal verloren gehen, oder die linke Hand weiß nicht, was die rechte gerade tut. Daher bietet es sich an, einen Verantwortlichen mit entsprechenden Kompetenzen zu benennen. Dieser sollte weiniger die technische Seite als viel mehr die Verwaltungsfragen der Lizenzbeschaffung im Auge haben.

Wann rechnet sich die Verwaltungssoftware?

Für Böhler ist es daher wichtig, dass beim Kunden die organisatorischen Rahmenbedingungen stehen. “Sonst kann er auch mit unserer Software nichts anfangen”. Seiner Meinung nach rechnet sich ab etwa 500 Mitarbeitern die Anschaffung einer entsprechenden Lösung. Bei Unternehmen mit besonders vielen oder teuren Lizenzen könne es sich auch schon in kleineren Betrieben rechnen. Die Aspera-Software biete Schnittstellen zu anderen Produkten wie Tivoli oder Peregrine. Sie erhebt um die Hardware herum Daten und organisiert diese Ergebnisse. Doch ein Tool alleine kann nicht alle Probleme beheben. “Lizenzmanagement bedeutet zu 70 Prozent Verantwortlichkeiten, Rollen, Prozesse und organisatorische Fragen. 30 Prozent übernimmt dann das Software-Werkzeug”, schätzt Böhler.

Die richtigen organisatorischen Rahmenbedingen zu schaffen, stelle eine der Hauptaufgabe eines Beratungsvertrages dar. “Wir beginnen meist damit, jede Software, die gekauft wurde, auch detailliert zu erfassen”, erklärt Böhler. Aber da fingen meistens schon die Probleme an. “Den Altbestand zu sondieren ist schwierig, denn da stoßen Sie schnell auf ein Kartell der Unfähigkeiten”, berichtet Böhler. Und das liege seiner Meinung nach vor allem am Unvermögen oder auch dem Unwillen der Hersteller, Integratoren und Reseller, den Anwendern Möglichkeiten für eine effiziente Verwaltung an die Hand zu geben.

So lassen sich meist auch Lizenzverträge nicht beliebig weit zurückverfolgen, erklärt Böhler: “Wir sagen, dass man allgemein Lizenzen zwischen drei und vier Jahre abbilden kann, alles was darüber hinaus war, ist meist verloren.” Mit einem Lizenzmanagement und dem entsprechenden Tool habe der Kunde jedoch immer die genaue Auskunft darüber, was er gekauft hat. So geschehe es immer wieder, dass Kunden falsche Versionen geliefert bekommen oder Software aus Lizenzprogrammen verwenden, für die sie nicht qualifiziert sind. “Zum Beispiel für den Bereich Erziehung. Dann kommt beim Upgrade die Information des Herstellers, dass das Unternehmen keine Aktualisierung bekommen kann und statt dessen eine neue Vollversion braucht, weil das Unternehmen keine Universität ist”, weiß Böhler.

Rechtliche Risiken

Aber mit einem durchgängigem Management wüssten Kunden zum Beispiel auch, dass sie zu der Software auch einen Wartungsvertrag haben, und brauchen deswegen keine neue Version oder zusätzlichen Support, sondern seien berechtigt, sich kostenfrei ein Update ziehen. “Das ist letztlich eine Bündelung der eigenen Einkaufsmacht. Die Nutzer können unter Umständen bei den Verhandlungen bessere Konditionen bekommen”, berichtet Böhler aus eigener Erfahrung.

Neben dem Kosten- und Verwaltungsargument sprechen aber auch noch andere Punkte für ein durchorganisiertes Lizenzmanagement. Da ist zum einen das rechtliche Risiko einer Unterlizenzierung. Geschäftsführer und Vorstände haften gegebenenfalls für ihre Mitarbeiter, werden die Bestimmungen nicht eingehalten. Manche Unternehmen versuchen diese Unsicherheit mit einer Überlizenzierung abzupuffern.

Zudem sind Unternehmen gegenüber den Herstellern auskunftspflichtig. Im Fall Oracle muss ein Unternehmen binnen 45 Tagen eine komplette Aufstellung aller eingesetzten Lizenzen vorlegen, die dann gegebenenfalls auch noch gegenkontrolliert werden kann. Und nur wer genau weiß, was er bereits hat, kann auch wirklich seinen exakten Neubedarf ermitteln. So kann es durchaus spürbare Einsparungen geben, wenn klar ist, welche Programme benötigt werden, und ob es denn nun wirklich die Enterprise-Edition sein muss, oder ob nicht auch eine Standard-Version den Bedarf abdeckt.

Aber beim Software-Lizenzmanagement gebe es noch ein entscheidendes Problem, weiß Bastian Brand, von Fair Computer Systems: “Leider haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass die meisten Unternehmen diese Potenziale auf Grund der einmaligen hohen Investitionskosten für Lizenzmanagementsoftware nicht ausschöpfen.” Doch nütze auch die beste Lizenzverwaltung mit Soll-/Ist-Vergleich nichts, so Brand, “wenn aus ihren Ergebnissen keine Konsequenzen gezogen werden”.

Silicon-Redaktion

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