Rechtliche Gefahren der Softwareentwicklung

Wer vermeiden möchte, dass Softwareentwicklungen im Unternehmen zum unkalkulierbaren Haftungs- und Ausfallrisiko werden, der muss Prozesse und klare Spielregeln für das Rechtemanagement bei der Entwicklung von Software einführen. Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen heute deutlich höher als früher.

Rechtemanagement wird häufig vernachlässigt

Um das Ausfallrisiko und den Qualitätsstandard bei der Softwareentwicklung stetig zu verbessern, beschäftigen sich Unternehmen und Technische Universitäten hierzulande bereits seit vielen Jahren mit der Frage, wie man die funktionale Qualität von Softwareentwicklungen bei gleichzeitiger Kostenoptimierung nachhaltig verbessern kann. Dabei gerät ein ganz wesentlicher Aspekt der Ausfallsicherheit von Software meist in Vergessenheit: Nutzungsrechte an Software kann man nicht gutgläubig erwerben. Deshalb erfordert die Ausfallsicherheit von Software nicht nur, dass Softwareentwicklungen funktional einwandfrei sind, sondern dass sie auch keine Rechte Dritter verletzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass derjenige, dessen Patent- oder Urheberrechte verletzt werden, die weitere Nutzung einer innovativen Softwareentwicklung (z.B. zur Verbesserung der Produktionssteuerung) gerichtlich untersagen lässt oder nur gegen hohe Lizenzgebühren erlaubt.

Um Patent- und Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden, müssen Unternehmen, die mit eigenen oder fremden Ressourcen Software entwickeln, neben den Qualitätsmanagementprozessen auch rechtliche Qualitätssicherungsprozesse einführen, die Rechtsverletzungen Dritter vermeiden helfen und den erforderlichen Rechteerwerb sicherstellen. Als Schlagwort für das Management solcher, das geistige Eigentum betreffender Prozesse, hat sich international der Begriff “IP Management” (Intellectual Property Management – zu Deutsch: Management von geistigem Eigentum) etabliert.

Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen hat deutlich zugenommen

Die Wahrscheinlichkeit, fremde Rechte zu verletzen ist heute deutlich höher, als in den Anfangszeiten der Softwareentwicklung.

Selten wird der Quellcode einer Software noch von Anfang bis Ende neu entwickelt. Kostendruck und Innovationsgeschwindigkeit haben dazu geführt, dass

  • Quellcodedateien aus anderen Eigenentwicklungen oder eigenen Quellcodedatenbanken des Unternehmens übernommen werden,
  • Entwickler von Auftragnehmern (z.B. IT-Beratungsunternehmen, Zeitarbeitsfirmen) oder freiberuflich arbeitende Entwickler die auf ihren Rechnern vorhandenen Quellcodedateien nutzen und in neue Auftragsentwicklungen integrieren,
  • Entwickler passende Open-Source-Bibliotheken aus dem Internet herunterladen und in neue Programme integrieren oder
  • Entwickler Quellcodedateien von kommerziellen Anbietern über das Internet zu einem Bruchteil der ursprünglichen Entwicklungskosten kaufen, herunterladen und in die jeweilige Neuentwicklung integrieren.

Die Gefahr bei dieser Art der Softwareentwicklung “rechtlich verseuchte” Quellcodedateien in neue Programme zu übernehmen, ist riesengroß. Welcher Entwickler prüft denn schon unter Termin- und Kostendruck, ob die von ihm verwendeten Quellcodedateien fremde Urheber- oder Patenrechte verletzen und das möglichst noch für alle Länder, in denen die Softwareentwicklung zukünftig eingesetzt werden soll?

Wie groß ein solches Risiko in der Praxis sein kann, zeigt der gerade schwebende Rechtsstreit zwischen Oracle und Google. Im Januar 2010 hatte Oracle Sun Microsystems übernommen. Im August 2010 hat Oracle Google auf Schadensersatz verklagt. Der Prozess läuft noch. Streitpunkt ist die Integration von Java-Quellcodedateien in das mobile Betriebssystem Android von Google. Oracle hat durch den Erwerb von Sun Microsystems alle Patent- und Urheberrechte an Java erworben. In den einschlägigen Blogs wird von einigen Bloggern behauptet, dass die Google-Entwickler zwischen 37 und 44 Quellcodedateien der Entwicklungssoftware Java direkt in den Quellcode von Android kopiert haben. Ob das tatsächlich so ist, wird der Prozess klären.

Softwareentwicklung
Selten wird der Quellcode einer Software noch von Anfang bis Ende neu entwickelt.
Foto: Rechtsanwälte BDH

Patent- und Urheberrechte an Quellcodedateien sind Vermögenswerte. Sie ermöglichen dem Rechteinhaber, sein Geistiges Eigentum zu kapitalisieren, in dem sie ihm das Recht verleihen, Lizenzgebühren zu fordern und Nutzern ohne entsprechende Lizenz die Nutzung zu untersagen. Dort, wo Vermögenswerte kapitalisiert werden können, gibt es einen Markt und wo es einen Markt gibt, da gibt es Marktteilnehmer, die sich auf das betreffende Geschäft spezialisieren. Darüber hinaus lassen sich über Patent- und Urheberrechtsstreitigkeiten auch Wettbewerber legal behindern oder sogar ganz lahm legen. In Amerika ist all das bereits gängige Praxis. Dort gibt es Unternehmen und Anwaltskanzleien, die sich auf diese Art Geschäftsmodelle spezialisiert haben. Erfahrungsgemäß ist es in global agierenden Märkten nur eine Frage der Zeit, wann diese Geschäftsmodelle auch über den Atlantik schwappen. Findige Insolvenzverwalter sind hierzulande…