“Ein guter Tag für die Deutsche Telekom”
Beobachter werten den Schritt durchweg als Befreiungsschlag: Die deutsche Telekom trennt sich für umgerechnet 28 Milliarden Euro komplett vom Sorgekind T-Mobile USA. René Obermann stutzt damit den Weltkonzern auf das Europageschäft zurück und erntet für diese strategische Kehrtwende viel Lob.
Gerüchte gab es zwar schon seit längerem, dennoch kam der Schritt jetzt überraschend schnell und gründlich: Für 39 Milliarden Dollar (28 Milliarden Euro) verkauft die Deutsche Telekom ihre US-Tochter an den amerikanischen Branchenführer AT&T. Wie beide Unternehmen mitteilten, zahlen die Amerikaner 18 Milliarden Euro in bar. Der Rest wird in AT&T-Aktien entrichtet.
Damit beteiligt sich die Deutsche Telekom mit bis zu acht Prozent an AT&T und erhält einen Sitz im Verwaltungsrat. Ob Telekom-Chef René Obermann diesen Sitz selbst übernimmt oder ein anderer Telekom-Vertreter steht nach Unternehmensangaben bislang noch nicht fest.
Die Telekom steigt damit zum größten Minderheitsaktionär des US-Schwergewichts auf. Die Gremien beider Unternehmen haben der Übernahme bereits zugestimmt. Der Abschluss der Transaktion wird für das erste Halbjahr 2012 erwartet, muss aber noch von den Wettbewerbshütern in den USA genehmigt werden.
“Heute ist ein guter Tag für die Deutsche Telekom”, so Obermann. “Wir haben die beste Lösung für unser Unternehmen, unsere Kunden und unsere Aktionäre gefunden. Unsere Position in Europa wird gestärkt, und gleichzeitig werden wir weiter am stark wachsenden Geschäft mit dem mobilen Internet in den USA teilhaben.” Auf die Bilanz des Bonner Konzerns wird das aber künftig kaum noch Einfluss haben.
Mit dem Geld aus den USA will der Konzern nun Schulden in Höhe von rund 13 Milliarden Euro zurückzahlen. Weitere 5 Milliarden Euro sind für den Rückkauf eigener Aktien vorgesehen. Für die Aktionäre, die an ihrer Aktie bislang wenig Freude hatten, soll sich der Deal ab 2012 “wertsteigernd” auszahlen, versprach Obermann.
Durch den Verkauf gewinnt der Konzern nach Obermanns Worten finanzielle Stärke, um in Europa zu investieren: “Wir brauchen neue Netze.” Tatsächlich gibt es einiges zu tun: Die Tochter OTE in Griechenland schwächelt, es stehen Entscheidungen zu Zukäufen in Südosteuropa an, in Deutschland muss die Telekom eine Antwort auf die stärker werdenden Fernsehkabelnetzbetreiber wie Kabel Deutschland finden und ihr Mobilfunknetz verbessern. Die Milliarden aus den USA bieten zudem die Möglichkeit, den kürzlich angekündigten Ausbau schneller Glasfasernetze zu beschleunigen.
Wie große der Schritt für die Telekom ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Die US-Sparte macht gut ein Viertel des gesamten Umsatzes aus, 15 Prozent der über 250.000 Telekom-Beschäftigten arbeiten in den USA. Tatsächlich war T-Mobile USA jahrelang eine Ertragsperle des Telekom-Konzerns und bewahrte ihn vor einem Schrumpfkurs. Die Tochter verdreifachte von 2002 bis 2009 die Zahl der Kunden auf fast 34 Millionen. Doch mit der zunehmenden Marktsättigung ging es bergab. Trotz enormer Werbeausgaben verlor T-Mobile USA ab 2009 immer mehr Kunden. Schuld soll angeblich das iPhone von Apple gewesen sein.
AT&T hatte die exklusiven Rechte von Apple erhalten und zog immer mehr Kunden an. Inzwischen verkauft auch Verizon das iPhone. Nur T-Mobile USA blieb außen vor und musste ansehen, wie die Konkurrenz immer weiter davoneilte. Mit zuletzt rund 33 Millionen Kunden stagnierte die Telekom-Tochter im US-Geschäft auf Platz vier hinter AT&T, Verizon und Sprint Nextel.
Wenn der 39-Milliarden-Dollar-Deal von den US-Kartellbehörden abgesegnet wird, sind die Konsequenzen für alle Beteiligten gravierend. Denn mit gemeinsam 230 Millionen Kunden wäre AT&T/T-Mobile auf einen Schlag – und mit großem Abstand – der größte Mobilfunkanbieter Amerikas. Die Folgen wird vor allem die neue Nummer drei in den Vereinigten Staaten zu spüren bekommen: Sprint, das dann gleich dreimal kleiner wäre als AT&T und T-Mobile.
Zudem hat Sprint einen potenziellen Fusionspartner verloren und im Gegenzug einen bedeutend gefährlicheren Wettbewerber erhalten. “Damit landet Sprint in einer viel schwächeren Position als Nummer drei des Marktes”, schreibt Charles S. Golvin, Analyst beim Marktforschungshaus Forrester, in einem Blog-Eintrag. “Das ist eine echte Herausforderung für Sprint.”
In Deutschland dagegen sind die Reaktionen durchweg positiv. “Es löst das vielleicht wichtigste Problem der Telekom”, sagt ein Börsianer und liefert damit zudem in knappen Worten die Begründung für die Telekom-Party, die der Dax am Montag nach der Ankündigung feierte. Die Telekom-Aktie schoss vorübergehend um 15 Prozent nach oben und überstieg erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder die Marke von 11 Euro.
Bejubelt wird damit auch das vorläufige Ende der globalen Expansionsstrategie, die vor rund elf Jahren der frühere Telekom-Chef Ron Sommer eingeschlagen hatte. Er hatte damals den US-Mobilfunker Voicestream – später umbenannt in T-Mobile USA – für die schwindelerregende Kaufsumme von 50 Milliarden Dollar übernommen. Auch Ron Sommer wurde seinerzeit für den Deal gefeiert.