silicon.de: Vor rund einem Jahr hat Ciena die Übernahme des Nortel-Bereichs ‘Metro Ethernet Networks’ (MEN) abgeschlossen. Wie weit sind Sie mit der Integration von Menschen, Produkten und Strukturen?


Timon Lutze, Bild: Ciena

Lutze: Wir haben im vergangenen Jahr wichtige Schritte vorangetrieben, um beide Unternehmen zusammenzuführen. Zunächst haben wir das Portfolio rationalisiert und bereits nach wenigen Monaten erste Interoperabilität erreicht. Wir sind dabei, das Gesamtportfolio unter ein einheitliches Management zu bringen. Des Weiteren stehen alle unsere Mitarbeiter als vereintes Team bereit: weltweit mehr als 4000 Mitarbeiter mit einheitlichen Prozessen und Werten.

Wir haben das Global-Field-Organization-Modell von Ciena in dem vereinten Unternehmen angewendet, um sicherzustellen, dass wir mit unseren Kunden weiterhin auf Basis unseres persönlichen und gemeinschaftlichen Ansatzes zusammenarbeiten.

silicon.de: Viele Übernahmen und Fusionen scheitern. Warum sollte das in Ihrem Fall anders sein?

Lutze: Die Zusammenführung hat sich leichter dargestellt, als wir erwartet hatten. Die Firmenkulturen beider Unternehmen sind auf praxisnahe Innovationen ausgerichtet, was den Zusammenschluss vereinfacht hat. Wir waren uns bewusst, dass dieser kulturelle Aspekt großen Einfluss darauf haben würde, wie erfolgreich eine Integration verlaufen würde.

Wir können deutlich erkennen, dass die ehemaligen Teams von Ciena und MEN zu einem geschlossenen Unternehmen zusammengekommen sind. Die Grenzen verschwimmen stark und die Unterschiede nehmen zunehmend ab. Der Zusammenschluss der Unternehmen ist jedoch noch nicht abgeschlossen – natürlich liegt hier noch Arbeit vor uns und es können noch Hürden vor uns auftauchen. Dennoch sind wir über das bisher Erreichte glücklich.

silicon.de: Ciena wurde 1992 gegründet und hat seit dem in fast jedem Jahr ein Unternehmen übernommen. In welchem Bereich kaufen Sie demnächst zu?

Lutze: Die Übernahme des MEN-Geschäftsbereichs hat Ciena eine Fülle an Möglichkeiten geboten. Wir sind größer, unser Kundenstamm ist breiter und differenzierter, und unsere Technologie sowie unsere marktführende Position im Markt sind stärker geworden. Wir können nun schneller unsere Unternehmensstrategie vorantreiben. Ich denke, wir können zu Recht sagen, dass wir uns momentan darauf konzentrieren, dieses enorme Potential zu maximieren.

silicon.de: Mit der MEN-Übernahme kamen auch viele ehemalige Nortel-Mitarbeiter zu Ciena. Wie hat das Ciena verändert?

Lutze: Als Teil der Akquisition kamen etwa 2000 Mitarbeiter von Nortel MEN zu Ciena, was die Unternehmensgröße praktisch verdoppelt hat. In manchen Bereichen waren die zwei Unternehmen sehr unterschiedlich: hier eine großer globaler Konzern, dort ein fokussierter, agiler Spezialist.

Wir haben uns entschieden, die gemeinsame Belegschaft basierend auf unseren Unternehmenswerten zu formen: Integrität, Geschwindigkeit, Fokus auf den Kunden, Innovation und hervorragende Mitarbeiter. Wir belohnen Mitarbeiter, die diese Werte leben und ermutigen sie, diese auch bei ihren Kollegen zu fördern.

silicon.de: Ciena ist auf die Optimierung von TK-Netzen spezialisiert. Vor kurzem galt vor allem die steigende Nachfrage nach Online-Videos als kritisch für die Bandbreite, jetzt kommt mehr und mehr Cloud Computing hinzu. Sind die heutigen TK-Netze “Cloud-ready”?

Lutze: Die Liste der Trends und Entwicklungen, die die Nachfrage nach Bandbreite antreiben, ist lang: smarte Geräte, die über WiFi- und Wireless-Netzwerke mehr Daten durch das Netzwerk senden; große Datentransfers auf Grund von Rich-Media-Inhalten; Anwendungen, die von Netzwerk-basierten Cloud-Locations wie Salesforce.com oder Facebook laufen; die Wandlung von Durchschaltungs-basierten SONET/SDH-Netzwerken zu Ethernet, um von langsameren SDH-Bandbreitenabstufung auf Gigabit-Ethernet aufzurüsten; Konsolidierung von individuellen, Low-Speed Schaltungen auf gemeinsam genutzte 10G-Backbone-Netzwerke; schnelle HD-Video-Content-Übertragungen ohne Komprimierung; Zunahme bei Glasfaser- und Ethernet-basiertem Storage sowie die Nachfrage nach besseren Recovery-Zielen, die die Daten-Replikation in Netzwerken antreibt.

Jeder der genannten Trends wirkt sich auf die optische Netzwerk-Hardware aus, indem er verschiedene Client-Interface-Technologien antreibt. So sind beispielsweise neue 8G-Glasfaser-Client-Ports nötig, um mit den Ansprüchen hinsichtlich Storage I/O und Durchsatz Schritt zu halten. Datenverkehr auf einer 10G-Wellenlänge, 10G-Ethernet oder 10G-SONET/SDH Backbone-Netzwerke via Multiplexing zu übertragen ist eine weitere Aufgabe, die das Design der Netzwerk-Nutzeroberfläche betrifft.

Das Wachstum von Cloud-basiertem Computing und Storage wird die Nachfrage nach Hochleistungs-Netzwerk-Access sowie Netzwerken, die die Betriebsbelastung balancieren, weiter antreiben. Dieses Cloud-Backbone-Netzwerk muss skalierbar sein und vielleicht ein ‘Network-as-a-Service’-Profil anbieten, das dem On-Demand-Prinzip der Cloud entspricht. Cloud Service Provider werden ein Hochleistungsnetzwerk benötigen, um den Backup und die Aufteilung der Auslastung über verschiedene Rechenzentren zu gewährleisten. Zukünftig werden hier 40G- und 100G-Backbone-Netzwerke zum Tragen kommen.

silicon.de: Eine Reihe von Unternehmen, darunter Ciena, hat im März die Open Networking Foundation (ONF) gegründet. Was will die ONF erreichen und warum macht Ciena mit?

Lutze: Die Rolle, die Software im Netzwerk-Bereich spielt, ist seit Jahren im Fokus von Ciena – wir haben hier einige führende Technologien entwickelt, wie die ActivFlex 5400 Control Plane oder die programmierbaren Ports von ActivFlex4200 FlexiPort. An der Entwicklung von Standards in diesem Bereich teilzunehmen, ist im Interesse unserer Kunden und damit auch in unserem Interesse.

Die Mission der ONF ist die Entwicklung und der Einsatz von Software-Defined-Networking-Technologien. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich in der Internet-Architektur große Innovationen abgespielt. E-Mail, E-Commerce, Suchmaschinen, Soziale Netzwerke und Cloud Computing sind alles gute Beispiele. SDN beinhaltet zwei Grundkomponenten: eine Software-Nutzeroberfläche, genannt OpenFlow, um zu kontrollieren, wie Datenpakete durch die Netzwerk-Switches geleitet werden und ein Set an globalen Management-Oberflächen, auf denen weitere moderne Management-Tools kreiert werden können.

Software-Defined-Networking-Technologien – SDN – ermöglichen mit relativ einfachen Software-Änderungen schnelle Innovationen in allen Arten von Netzwerken, darunter Rechenzentren-Netzwerke, Wide-Area-Telekommunikations-Netzwerke und Wireless-Netzwerke in Unternehmen und Privathaushalten. SDN geben sowohl den Besitzern als auch den Betreibern der Netzwerke bessere Kontrolle über ihr Netzwerk und ermöglichen es ihnen, ihr Netzwerkverhalten so zu optimieren, dass es ihren Bedürfnissen am besten entspricht. So können SDN zum Beispiel in Rechenzentren genutzt werden, um den Energieverbrauch zu senken, indem einige der Router in Nebenzeiten heruntergefahren werden.

In ihrem ersten Jahr wird die Open Networking Foundation Arbeitsgruppen schaffen, um die OpenFlow-Spezifikationen weiter zu definieren. Geplant ist die Zusammenarbeit mit externen Organisationen, um ein ‘Interoperatibility Lab’ und danach ein ‘Compliance Lab’ aufzubauen. Zukünftig wird die ONF die Entwicklung und Standardisierung von weiteren Oberflächen vorantreiben, zum Beispiel die offenen Programmierschnittstellen über einer Netzwerk-weiten Kontrollebene.

silicon.de: Welche neuen Produkte sind von Ciena zu erwarten?

Lutze: Als Netzwerkspezialist verfolgen wir gezielte Innovationen. Als Teil dieser strategischen Positionierung haben wir uns entschieden, eher in der Tiefe als in der Breite tätig zu werden und fokussieren uns auch weiterhin auf unsere Hauptbereiche – optischen Transport, optisches Switching und Carrier Ethernet. Wir wollen auch weiterhin innovativ in diesen drei Bereichen tätig sein – so wie wir es schon sind, beispielsweise mit unserem Terabit Networking.

Wenige Tage nach Abschluss der Übernahme der Netzwerksparte von Nortel haben wir gezeigt, dass die Hauptprodukte der beiden Unternehmen – ActivSpan 4200 und ActivFlex 6500 – gut zusammenarbeiten. Zudem haben wir die Einführung der kohärenten 40G-Technologie von Nortel – basierend auf den kohärenten optischen WaveLogic Prozessoren – auf der ActivSpan 4200 angekündigt. Wir arbeiten weiter daran, das Portfolio unter ein gemeinsames Management zu bringen und Schlüsseltechnologien – wie kohärentes optisches Processing und Kontrollebenen – über das gesamte Portfolio hinweg zu portieren.

Silicon-Redaktion

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