Der Vorwurf von HP an Oracle ist, dass Oracle vertraglich zugesicherte Unterstützung für die Itanium-Plattform (und hierbei insbesondere für die nächste Oracle 12g-Version) nicht liefert und versucht, die HP-Kunden mit unlauteren Mitteln auf die Sun-Plattform zu migrieren. Weiterhin wird das Oracle-Lizensierungsmodell kritisiert, welches die Itanium-Plattform benachteiligt.
HP ersucht daher das Gericht um Unterstützung bei der Durchsetzung folgender Forderungen gegenüber Oracle:
Oracle ist jedoch der Meinung, dass HP plant, sich strategisch zumindest mittelfristig von der Itanium-Plattform zurückzuziehen und demgegenüber die X86 (Xeon)-Plattform zu favorisieren. Hieraus wird auch der Vorwurf abgeleitet, dass HP seine Kunden bezüglich der künftigen Itanium-Server-Entwicklung täuscht. Man kann die Meinung vertreten, dass der Itanium- Prozessor nicht besonders zukunftssicher ist, der Vorwurf der absichtlichen Kundentäuschung geht aber über eine “Einschätzung” weit hinaus.
Die über Jahre sehr gute Partnerschaft zwischen HP und Oracle ist somit massiv und nachhaltig gestört. Dies wird sich auch auf absehbare Zeit sicher kaum ändern.
Aus Marktsicht ist diese Situation als sehr kritisch zu beurteilen. Die installierte Basis von Oracle (RAC)-Datenbanken, auch als Basis einer SAP-Installation auf HP/UX, ist durchaus signifikant (ca. 140.000 gemeinsame Kunden weltweit) und für die betroffenen Anwender sind diese Systeme in den meisten Fällen absolut geschäftskritisch.
Es lohnt sich also, die jeweiligen Szenarien mittel- und langfristig zu beurteilen und daraus Aktivitäten abzuleiten.
Ausgehend von der aktuellen Situation und dem bisherigen Verhalten von Oracle ist anzunehmen, dass Oracle seine grundsätzliche Strategie – die Itanium-CPU in der Zukunft nicht mehr wie gewohnt zu unterstützen – durchziehen wird. Selbst wenn HP juristisch Recht bekommt, wird durch die Länge des Gerichtsverfahrens und auch eine mögliche verdeckte Verweigerungshaltung von Oracle das Ergebnis das gleiche bleiben – Anwender von Oracle-Software auf HP Itanium-Systemen werden gezwungenermaßen auf eine andere Plattform migrieren müssen. In dem Prozess wird es daher vielmehr um etwaige Schadensersatzansprüche gehen und der Ausgang ist mehr als fraglich.
Für die Anwender bedeutet diese Entwicklung aber ein hohes Risikopotenzial. Wenn Oracle insbesondere die Datenbank-Entwicklung für (neue) HP Itanium-Systeme einstellt, muss der Kunde einen Plattformwechsel vollziehen. Entweder er migriert die Datenbank – potenziell stehen hier IBM DB2 und Microsoft SQL Server (in diesem Fall auch notwendigerweise mit einer Migration der Server-Plattform) zur Wahl. Oder er migriert die Server-Plattform auf IBM AIX, Linux, Microsoft Server – oder eben Sun/Oracle.
Dies ist auch sicher das kaum versteckte Ziel von Oracle – bestehende HP/Oracle- Installationen hin zu der “eigenen” Plattform zu entwickeln. Dies ist aus Sicht von Oracle wirtschaftlich sehr clever, da eine sonst unterlegene Server-Plattform auf diesem Wege für zumindest einen Produktlebenszyklus erfolgreich platziert werden kann. Allerdings kann dies für den Anwender natürlich zu einem ungewollten Vendor-Lock-In und damit verbunden zu erhöhten Lebenszyklus-Kosten führen.
Falls die Anwender diese Entwicklung nicht frühzeitig erkennen, bleiben ihnen kaum Wahlmöglichkeiten, da eine DB-Migration – gerade von hochwertigen RAC-Clustern – alles andere als einfach, risikolos und billig ist. Man wird dann meistens das vermeintlich “kleinere Übel” wählen und das wahrscheinlich sehr bald auf den Markt kommende “attraktive” Oracle-Angebot zur Migration auf einen “integrierten DB/Server-Stack” annehmen müssen.
Andererseits kann dies auch in einer bestehenden Oracle-Kundenbeziehung, die aufgrund anderer “Aktionen” (z.B. Lizensierung virtualisierter Server-Umgebungen) schon belastet ist, der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Die potenziellen “Gewinner” dieser Aktion sind somit bei den direkten Datenbank- und Server-Wettbewerbern von Oracle zu sehen – im High-End IBM mit den AIX Power-Servern und DBM2 und in der Breite Microsoft SQL Server. Hier ist mit Sicherheit auch von einer verstärkten HP/Microsoft-Partnerschaft auszugehen.
Es ist also angeraten, die DB/Server-Strategie vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sofort und intensiv zu überprüfen und die entsprechenden Schritte einzuleiten – damit man in einer aktiven Rolle bleibt und nicht in eine passive Rolle gezwungen wird.
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