silicon.de: Herr Aschenbrenner, im vergangenen Jahr entschied sich E.ON für ein Outsourcing seiner IT-Infrastruktur-Services an T-Systems und HP. Warum keine Single-Vendor-Strategie und warum fiel die Wahl gerade auf dieses “Team”?
Aschenbrenner: Grundsätzlich wollten wir den Deal für alle Beteiligten, auch die zukünftigen Provider, auf sichere Beine stellen. Minimales Risiko, maximale Wertschöpfung. Da bietet sich an, auf mehrere Partner zu setzen, und dabei spielt die Frage “Wie partnerfähig sind die Unternehmen?” eine wichtige Rolle. Das sprach auch für HP und T-Systems – in der Ausschreibung noch Wettbewerber, vom Moment unserer Entscheidung an aber Partner.
silicon.de: Welche Erwartung verknüpfte E.ON seinerzeit mit dem Los-Zuschnitt der Ausschreibung in Data Center, Workplace und Communication/Collaboration?
Aschenbrenner: Das Los ‘Rechenzentrum’ ist ja klassisch. Innovativ war die Bündelung der Bereiche Kommunikation und Kollaboration – und dabei die reinen Arbeitsplatz-Services auszuklammern. Dass wir damit vor allem die Konvergenz der Technologien im Kommunikations- und Kollaborationsbereich in die Hand eines Providers legen, bringt uns als Energieunternehmen klare Vorteile. Denn die Wettbewerbsintensität unserer Branche steigt massiv. Da bekommt die Geschwindigkeit von Kommunikation und Kollaboration unternehmenskritische Bedeutung.
silicon.de: Neben der technischen Transition galt es, 1300 eigene Mitarbeiter in die Verantwortung von T-Systems und HP zu überführen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Aschenbrenner: Mit Verantwortungsbewusstsein bis heute. Schon in der Ausschreibung war der Punkt ‘Mitarbeiter’ eine eigene Kategorie. Und wir haben von Beginn eng mit den Mitbestimmungsgremien zusammengearbeitet. Bei unserem Outsourcing sind Unternehmen zusammengekommen, die Mitarbeiterbelange gleichermaßen ernsthaft, fair und professionell behandeln.
Wir sind zum Beispiel auf eine Road-Show durch zwölf Länder gegangen um Mitarbeiter für den Wechsel zu gewinnen. Diese ‘Get-in-Touch’-Sessions, mit einer Management-Attention bis zur Vorstandsebene übrigens, und das enorme Zeit-Investment dafür waren eminent wichtig. So konnten wir eine lange Phase der Unsicherheit beenden, in den Dialog einsteigen und Skepsis und Ängste abbauen.
silicon.de: Auch nach dem Vertragsabschluss mit den beiden Anbietern werden Sie bei der Umsetzung von denselben Key-Playern betreut. Was sind bisher Ihre Erfahrungen und auch Ihre Erwartungen an dieses eher ungewöhnliche Modell?
Aschenbrenner: Traditionell läuft ein Outsourcing doch so: Bei jedem Wechsel der Verantwortlichkeiten, vom Pursuit über die Transition bis zur Transformation, drohen Sollbruchstellen. Das wollten wir vermeiden. Wir sagen: Die Leute, die uns in den Verhandlungen überzeugt haben, sollen anschließend auch die Umsetzung verantworten. Das sind für uns ja so etwas wie Vertrauensmänner. Ich bin fast sicher, für große Outsourcings wird sich in Zukunft nur noch dieser Weg durchsetzen. Wir jedenfalls sind mit dieser ’Konstanz-Lösung’ sehr glücklich.
silicon.de Gutes Stichwort – Collaboration Services sind die am stärksten wachsenden Services überhaupt, welche die E.ON-Mitarbeiter in ganz Europa in Anspruch nehmen. Was sind hier die Anforderungen an die Dienstleister?
Aschenbrenner: Wir brauchen absoluten Profis als Partner, die die Technologien kennen und uns auf dem Laufenden halten. Und die Partner müssen unser Geschäft kennen und wissen, wie wir als Utility-Unternehmen ticken. Also: Technologieverständnis plus Verständnis unseres Geschäftes – das erwarte ich.
silicon.de: Von UCC über Audio- und Web- bis zu Videokonferenzen: Welche Rolle werden die Plattformen der virtuellen Zusammenarbeit zukünftig spielen?
Aschenbrenner: Eine sehr große. Mobile Business wird auch bei E.ON mehr und mehr im Berufsalltag verankert. Insbesondere bei der Erforschung von neuen Energiequellen, im Gasgeschäft und im Vertrieb bringen schnelle Reaktionszeiten entscheidende Wettbewerbsvorteile.
silicon.de: Und lässt sich das auch schon beziffern?
Aschenbrenner: Selbstverständlich. Manche der Techniken sind sehr teuer, wie zum Beispiel Tele-Presence; das muss sich rechnen und messen lassen. Aber der Return on Investment lässt sich gut dokumentieren: Über die Anzahl der realen Meetings, die ich in die Tele-Presence verlegt habe, lässt sich kalkulatorisch erfassen, welche Reisezeiten und Aufwände eingespart wurden – Stichwort Prozessbeschleunigung/Effektivität.
silicon.de: Bei Collaboration geht es immer öfter um neue Aufgaben und Geschäftsfelder. Inwieweit können Sie die neuen Bereiche unterstützen?
Aschenbrenner: Zunächst: Die Business-Strategie bei E.ON geht dahin, auf Dauer kein End-to-end-Utility-Unternehmen mehr zu sein. Stattdessen fokussieren wir uns auf Kernkompetenzen und profitable Geschäftsfelder, trennen uns von Bereichen und bauen Neugeschäft andernorts auf. Denn, die komplette Kette zu bedienen, von der Förderung von Rohstoffen über die Generierung von Strom bis zu den Verteilnetzen, das ist ein sehr kapitalintensives Geschäft. Das kann man auf Dauer in der ganzen Breite nicht aufrechterhalten.
Ähnlich ist es mit der IT. Da haben wir in der Vergangenheit vom Telefonbetrieb bis zum Bau von Applikationen alles gemacht. Jetzt kommen mit eMobility. Smart Grids oder Smart Metering neue Technologien hinzu, die – wenn wir mal ehrlich sind – zu 80 Prozent aus IT bestehen. Das heißt das gesamte IT-Portfolio wird immer noch größer, aber unser Budget ist limitiert und unsere realisierbaren Skaleneffekte sind begrenzt.
Die logische Konsequenz für uns: Wir vollziehen den Schritt, den unser Konzern geht, analog auch in der IT. Für mich als CIO heißt das vor allem: Ich reduziere meine Kapitalbindung drastisch, erhöhe die Flexibilität und kann schneller auf Änderungen im Energiemarkt und bei E.ON reagieren.
silicon.de: Mit welchem Effekt auf die Hauptaufgabe der E.ON IT?
Aschenbrenner: Wir verschlanken als konzerninterne IT-Gesellschaft die eigene Leistungserbringung und verringern die Wertschöpfungstiefe. Da waren wir in der Vergangenheit Full-Service-Anbieter, der in der Applikation, in der Infrastruktur nahezu alles selbst gemacht hat. Mit dem Outsourcing wandelt sich unsere Rolle in der Retained-Organisation in eine Steuerungsfunktion. Das heißt, wir überführen den Bedarf unserer Infrastruktur in Lösungs- und Produktanforderungen an unsere Outsourcing-Partner. Dass wir das ganze Know-how in den Kern-Technologiefeldern dennoch behalten wollen, hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern verfolgt das Ziel eines konstruktiven, professionellen Dialogs.
silicon.de: Sie haben quasi zwei Hüte auf – zum einen CIO von E.ON, der seine IT erfolgreich führen und Kosten reduzieren muss. Zugleich sind Sie Vorsitzender der Geschäftsführung der E.ON IT, die als GmbH auf Wachstum und Gewinn aus sein muss. Wie finden Sie da die Balance?
Aschenbrenner: Die finden Sie nur, wenn Sie die Konvergenz der Ziele herstellen, und da hab ich ja keinen Konflikt. Ich will ja nicht, dass die IT-GmbH aus purem Selbstzweck heraus wächst, sie muss nur den Geschäftsverlauf von E.ON widerspiegeln. Wir streben keine Gewinnmaximierung an, sondern wollen möglichst viel zum Konzern-Optimum beitragen. Und kaufmännische Gewinne der GmbH geben wir in Form von Kostensenkungen unverzüglich ans Business weiter.
silicon.de: Ob Sie am Jahresende Gewinn ausweisen, hängt auch davon ab, wie viel Geld sie zuvor ausgegeben haben. Welchen Spielraum nehmen Sie sich da?
Aschenbrenner: Jedes IT-Projekt ist immer auch ein Business-Projekt. Darum haben wir den Business IT Executice Council gegründet, in dem Vorstände und Geschäftsführer von Business-Seite vertreten sind. Darin entscheiden wir regelmäßig folgende Fragen: Welche Projekte machen wir? – Welches Budget wollen wir uns zumuten? – Wie sieht es mit der IT-Performance aus? Dazu haben wir uns KPIs gesetzt, um in jedem Projekt für alle volle Transparenz zu haben. Kosten/Nutzen von IT darf nie ein Geheimnis sein.
silicon.de: Zurück zu Ihrer Rolle zwischen Konzern, Dienstleistern und nebenbei noch neun E.ON IT-Landesgesellschaften. Wie halten Sie da die Kontrolle über die Governance?
Aschenbrenner: Wir wollten nicht länger, dass IT irgendwo in Europa an fünf Stellen gleichzeitig “gemacht” wird. Denn das hatte ja häufig folgende Konsequenz: Wenn was schief lief, waren es immer die anderen. Daraus hat unser Konzern gelernt, Verantwortlichkeiten klar zustellen und die IT im Konzern zentral in der E.ON IT zusammenzufassen.
Das war eine E.ON-Vorstandsentscheidung. Dann muss man die Stakeholder abholen – durch hoffentlich gute Argumente. Sofortige Reduktion der IT-Kosten für das dezentrale Business ist ein gutes Argument. Die fokussierte Governance herzustellen hat viel Kraft gekostet, und sie ist es wert, lange erhalten zu bleiben.
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