38.000 offene Stellen für IT-Experten
In der deutschen Wirtschaft gibt es aktuell rund 38.000 offene Stellen für IT-Experten. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der freien Arbeitsplätze um 10.000 angestiegen, was einem Zuwachs von 36 Prozent entspricht. Das ist das Ergebnis einer Bitkom-Studie, für die 1500 Geschäftsführer und Personalverantwortliche von Unternehmen aller Branchen befragt wurden.
“Der Bedarf an IT-Experten ist kräftig gestiegen”, sagte Bitkom-Präsident Prof. Dieter Kempf. “Die schwächeren Aussichten der Gesamtkonjunktur haben derzeit keine Auswirkungen auf die Beschäftigung im Hightech-Sektor.” Nach Einschätzung der befragten Firmen hat sich parallel der Fachkräftemangel verschärft. 58 Prozent sagen, dass ein Mangel an IT-Spezialisten herrscht. Das sei ein höherer Wert als in den Boom-Jahren 2007 und 2008. Kempf: “Die Reformen in der Bildungs- und Zuwanderungspolitik müssen forciert werden, um die Leistungsfähigkeit des Hightech-Standorts Deutschland zu sichern.”
Laut Umfrage entfallen rund 16.000 der offenen Stellen auf die ITK-Branche, der Großteil davon auf Anbieter von Software und IT-Dienstleistungen. Entsprechend hoch sei der Bedarf an Software-Entwicklern. 84 Prozent der ITK-Unternehmen mit freien Arbeitsplätzen suchten Software-Spezialisten für die Entwicklung neuer Anwendungen. 40 Prozent benötigten Marketing- und Vertriebsexperten und 36 Prozent IT-Berater. “Der Trend geht zu technisch und organisatorisch sehr anspruchsvollen Tätigkeiten, die eine fundierte Ausbildung erfordern”, sagte Kempf. Bei den Anwendern von ITK-Lösungen in anderen Wirtschaftszweigen gebe es rund 22.000 freie Jobs. Hier suchten 59 Prozent der befragten Unternehmen IT-Administratoren.
Positiv entwickeln sich demnach die Gehälter von IT-Experten. Nach einer Untersuchung der Personalberatung Kienbaum für den Bitkom steigen die Gehälter von IT-Spezialisten in der ITK-Branche im laufenden Jahr im Schnitt um 4,7 Prozent. Andere Fachkräfte verdienten in der gesamten Industrie nur durchschnittlich 2,7 Prozent mehr. “Die Gehälter in der ITK-Branche steigen kräftig und das auf hohem Niveau”, sagte Kempf. Im Jahr 2010 erhielten Vollzeitbeschäftigte in der ITK-Wirtschaft ein Bruttojahresgehalt von durchschnittlich 60.100 Euro. Damit habe die Hightech-Branche noch vor den Energieversorgern mit rund 59.400 Euro Bruttojahresgehalt gelegen, der chemischen Industrie mit 54.600 Euro oder dem Fahrzeugbau mit 54.500 Euro.
Die Umfrage zeigt auch, was die Firmen für die Gewinnung junger Mitarbeiter tun. Zwei Drittel der befragten Unternehmen bieten demnach Praktika oder Werkstudenten-Jobs an. 54 Prozent bilden in unterschiedlichen Berufen selbst aus. Damit liegt die ITK-Branche über dem Durchschnitt der deutschen Industrie von rund 30 Prozent. Jeweils 43 Prozent kooperieren mit Schulen oder Hochschulen.
Für die Sicherung des Nachwuchses im Hightech-Bereich schlägt der Bitkom eine Drei-Säulen-Strategie vor: weitere Reformen im Bildungssystem, eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sowie eine Qualifizierungsoffensive, mit der u.a. mehr weibliche Fachkräfte gewonnen werden können. Reformen in der Bildung müssten bereits in der Schule ansetzen. “Wir brauchen Informatik als Pflichtfach an Oberschulen, um mehr junge Menschen für eine Ausbildung im IT-Umfeld zu begeistern”, sagte Kempf. Gleichzeitig müsse die Kompetenz der Schüler bei PC-Anwendungen verbessert werden. An den Hochschulen gelte es, die Studienabbrecherquoten in den technischen Fächern zu senken.
Ein weiterer Weg sei eine stärkere Zuwanderung. Die Bundesregierung habe im Juni 2011 beschlossen, Berufsgruppen wie Ingenieure und Ärzte von der Vorrangprüfung auszunehmen. Dabei stellt die Arbeitsagentur fest, ob den Job nicht auch ein Deutscher oder ein anderer EU-Bürger machen könnte. “IT-Experten wurden bei der Abschaffung der Vorrangprüfung nicht berücksichtigt. Das ist aus unserer Sicht völlig unverständlich”, sagte Kempf. Zur Begründung hieß es, bei der Bundesagentur für Arbeit seien mehr arbeitslose IT-Fachkräfte als offene Stellen gemeldet. “Die Statistik der Arbeitsagentur spiegelt nicht die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt wieder”, sagte Kempf. Da die Firmen nur etwa jede dritte offene Stelle der Arbeitsagentur meldeten, sei der Bedarf weitaus größer als die Statistik suggeriere. Zudem konzentriere sich der Mangel an IT-Spezialisten auf gut ausgebildete Experten mit Hochschulabschluss.
Neben der Abschaffung der Vorrangprüfung könnten für IT-Fachkräfte, die nicht aus der EU kommen, auch kurzfristig die Verdienstgrenzen gesenkt werden: von aktuell 66.000 Euro pro Jahr auf 40.000 Euro. Aus Sicht des Bitkom sollte mittelfristig das Zuwanderungsrecht auf Basis eines Punktesystems grundlegend reformiert werden. “Deutschland muss im Ausland aktiv für den Arbeits- und Studienstandort werben”, forderte Kempf. Bisher gebe es von öffentlichen Stellen kaum Informationen über die Möglichkeiten der Migration. Ein mehrsprachiges Zuwanderungsportal im Internet könne hier Abhilfe schaffen.