Vorratsdaten: Deutschland ignoriert EU-Frist
Bis zum 27. Dezember hätte die Bundesregierung die EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen müssen. Berlin hat diese Frist jedoch verstreichen lassen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt die anlasslose Vorratsdatenspeicherung weiterhin ab.
Eine Vorratsdatenspeicherung könne es nur bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten geben, sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem Deutschlandfunk. Die Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den Zwickauer Rechtsextremisten zeigten, dass es falsch sei, die Diskussion auf die Speicherung von Vorratsdaten zu verengen.
Jörg Ziercke, Chef des BKA, sprach sich gegenüber der Bild-Zeitung dagegen für die Vorratsdatenspeicherung aus. Ohne Vorratsdatenspeicherung sei das Internet zu einem verfolgungsfreien Raum geworden. “Die Strukturen organisierter und terroristischer krimineller Netzwerke können angesichts fehlender Vorratsdaten nicht aufgedeckt, schwere Straftaten nicht aufgeklärt werden.”
Die EU-Richtlinie verpflichtet dazu, Telefon- und Internetdaten für sechs Monate anlasslos zu speichern. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Regelung im März 2010 jedoch gekippt, da sie gegen das Grundgesetz verstieß. Zu den Klägern gehörte auch die heutige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.
Update vom 28. Dezember: Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat Leutheusser-Schnarrenberger am 23. Dezember in einem Brief an die EU-Kommission dargelegt, dass Deutschland die EU-Richtlinie zumindest teilweise umgesetzt habe. “Alsbald” seien Beschlüsse des Kabinetts und des Parlaments zum “Quick-Freeze-Verfahren” zu erwarten, so die Ministerin.
Beobachter zweifeln jedoch daran, dass sich die EU-Kommission mit diesem Verfahren zufrieden zeigen wird. Nach Angaben eines Sprechers erwägt die EU-Kommission, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Im Fall einer Verurteilung drohen Deutschland Strafzahlungen in Millionenhöhe.