Online-Recht: Kampf gegen den Abmahn-Missbrauch
In Sachen Vorratsdatenspeicherung bietet Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der EU-Kommission die Stirn. Gegenüber der Saarbrücker Zeitung kündigte sie jetzt zudem “eine große Gesetzesinitiative zum Recht im Internet” an. So soll dem Missbrauch von Abmahnungen ein Riegel vorgeschoben werden.
Sie werde Anfang des Jahres ein Gesetzespaket zur Stärkung der Verbraucherrechte im Internet vorlegen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. So müsse der Missbrauch von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen eingedämmt werden.
Nach Angaben von Verbraucherschützern habe es im Jahr 2010 fast 600.000 Abmahnungen gegeben. Die bisherige Regelung, dass die Höchstgrenze bei einfach gelagerten Fällen maximal 100 Euro betragen dürfe, sei “völlig fehlgeschlagen” – weil die Gerichte die meisten Fälle als ‘nicht einfach’ eingestuft hätten. “Wir werden nun Streitwerte im Gesetz festlegen, damit die Abmahnkosten nicht aus dem Ruder laufen.” Sie wolle aber die kleinen Anbieter im Online-Handel schützen, die oft teuer abgemahnt werden, weil sie angeblich nicht alle Vorschriften ganz genau eingehalten hätten, so Leutheusser-Schnarrenberger.
Der Branchenverband Bitkom hat mittlerweile angekündigt, das Vorgehen des Justizministeriums gegen den “massenhaften Abmahn-Missbrauch” zu unterstützen. “Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sind Abmahnungen eine der größten Wachstumshürden”, sagte Bitkom-Präsident Prof. Dieter Kempf in Berlin. Oft würden Online-Angebote gezielt von Konkurrenten und Anwälten nach formalen Fehlern durchsucht, um Anbieter in Bedrängnis zu bringen.
Der jährliche Schaden pro Online-Händler durch Abmahnungen betrage laut einer Studie des Garantie-Dienstleisters Trusted Shops im Durchschnitt 5300 Euro. Abmahnungen würden gezielt an viele Adressaten versendet und die Streitwerte hoch angesetzt. Dabei werde die Unsicherheit vieler kleiner Online-Händler ausgenutzt. “Gerade im Online-Handel ist eine Vielzahl an Detailvorschriften zu beachten. Entsprechend hoch ist die Gefahr unbeabsichtigter Verstöße”, so Kempf.
Ein häufiger Grund für Abmahnungen seien Fehler bei der Widerrufsbelehrung. Diese besagt, innerhalb welcher Zeit Online-Kunden die Ware zurückgeben dürfen. Der Bitkom empfiehlt Händlern, ein vom Bundesjustizministerium herausgegebenes Muster für die Widerrufserklärung zu nutzen.
Leutheusser-Schnarrenberger ging gegenüber der Saarbrücker Zeitung zudem auf die Button-Lösung bei Online-Bestellungen ein. Diese sei bereits parlamentarischen Beratung. Demnach müssen Kunden in Zukunft unmittelbar vor der Bestellung die entscheidenden Informationen erhalten. Dazu zählen der Gesamtpreis, zusätzliche Kosten zum Beispiel für den Versand oder die Mindestlaufzeit eines Vertrages. Erfolgt die Bestellung über einen Button, muss die Beschriftung gut lesbar sein und eindeutig auf die Zahlungspflicht hinweisen.
Nachdem Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) jüngst die Timeline-Funktion des sozialen Netzwerks Facebook als “absurd” bezeichnet hatte, nahm auch Leutheusser-Schnarrenberger zu sozialen Netzwerken Stellung. Für den Datenschutz sei zwar der Innenminister zuständig. Ein Nutzer sozialer Netzwerke wisse jedoch meist nicht, was mit seinen Daten geschehe. “Ich bin der Meinung, dass wir hier eine klare gesetzliche Regelung brauchen: Daten dürfen nur genutzt werden, wenn der Einzelne über die Verwendung informiert wurde und er ausdrücklich zugestimmt hat.”
Wer bei Facebook seinen Account lösche, beende damit auch die Geschäftsbeziehung zu Facebook, dann sollten alle Daten gelöscht werden, so Leutheusser-Schnarrenberger. Die Argumentation von Facebook, man speichere die Daten abgemeldeter Mitglieder, damit sich diese später wieder leichter anmelden könnten, könne sie nicht nachvollziehen. “Meine Daten gehören mir, dass muss der Grundsatz sein.”
In Zuständigkeit von Leutheusser-Schnarrenberger liegt auch für die Regelung der Vorratsdatenspeicherung, die nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom März 2010 notwendig ist. Hier sorgte die Ministerin für Aufsehen, weil sie eine zum 27. Dezember 2011 gesetzte Frist der EU-Kommission verstreichen ließ. Eine Vorratsdatenspeicherung könne es nur bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten geben, sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem Deutschlandfunk. Die Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den Zwickauer Rechtsextremisten zeigten, dass es falsch sei, die Diskussion auf die Speicherung von Vorratsdaten zu verengen.
Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung legte Leutheusser-Schnarrenberger am 23. Dezember in einem Brief an die EU-Kommission dar, dass Deutschland die EU-Richtlinie zumindest teilweise umgesetzt habe. “Alsbald” seien Beschlüsse des Kabinetts und des Parlaments zum “Quick-Freeze-Verfahren” zu erwarten, so die Ministerin.
Beobachter zweifeln jedoch daran, dass sich die EU-Kommission mit diesem Verfahren zufrieden zeigen wird. Nach Angaben eines Sprechers erwägt die EU-Kommission, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Im Fall einer Verurteilung drohen Deutschland Strafzahlungen in Millionenhöhe.