“Apple soll bislang allein für die Patentklagen gegen HTC mehr als 100 Millionen Dollar aufgewendet haben”, sagt BITMi-Präsident Dr. Oliver Grün. “Wenn auf dem deutschen IT-Markt auch nur um den Faktor 100 niedrigere Technologieklagen aufschlagen sollten, wäre der hiesige Mittelstand überfordert.”
Die Gefahr ist laut BITMi akut, da nach Expertenmeinung in Deutschland jedes zweite Patent im Softwarebereich potenziell rechtswidrig ist, da diese “eigentlich gar nicht patentierbar wären”, betont Grün. Bei einem sogenannten Nichtigkeitsprozess würden diese Patente von einem deutschen Gericht mutmaßlich als “unrechtmäßig und damit hinfällig” eingestuft werden. Die Crux: Der Patentinhaber kann trotzdem gegen andere Unternehmen wegen Patentverletzung klagen, ohne dass in einem solchen Prozess die “Sinnhaftigkeit” des Patents überhaupt geprüft würde.
“Im deutschen Rechtssystem sind Nichtigkeits- und Verletzungsprozesse völlig getrennte Verfahren – mit fatalen Folgen”, warnt Grün. So könnten Konzerne hierzulande erfolgreich auf Patentverletzungen klagen und Recht zugesprochen bekommen, obgleich das Patent, um das es geht, nach deutschem Recht eigentlich ohne Substanz ist. Die deutschen IT-Mittelständler könnten es sich in der Regel gar nicht leisten, eine Nichtigkeitsklage gegen einen Konzern auch nur einer juristischen Bewertung zu unterziehen, geschweige denn durchzuführen.
“Wer sich die Patentklagen von Apple und Co. näher ansieht, wird feststellen, dass sich der Großteil um Softwarefragen dreht und zum Teil derart grundlegende Aspekte berührt, dass auch deutsche Softwarehäuser reihenweise davon betroffen sein könnten”, so der BITMi-Chef. “Schon heute ist der IT-Mittelstand durch die Existenz tausender softwarebezogener Patente in Deutschland und Europa unkalkulierbaren Kosten- und Haftungsrisiken ausgesetzt. Wenn die Konzerne diese ‘Patent-Keule’ auspacken, sind zehntausende Arbeitsplätze unmittelbar bedroht.”
Das Beispiel des Kölner Unternehmens Unitedprint.com zeige, wie solche Patentklagen als reines Wettbewerbsverdrängungsinstrument gegen den IT-Mittelstand eingesetzt werden können. Unitedprint.com druckt in Kleinauflagen Visitenkarten und Briefpapier, die die Kunden selbst online gestalten können. Die Deutschen standen laut BITMi dem US-Marktführer Vistaprint bei seiner Expansion nach Europa jedoch wohl im Weg. Vistaprint erhob auf das zugrunde liegende Verfahren einen patentgeschützten Monopolanspruch und setzte beim Landgericht Düsseldorf im Juli 2007 durch, dass das deutsche Unternehmen seinen Dienst einstellen und Schadensersatz zahlen musste. Zur Berechnung der Schadensersatzansprüche musste Unitedprint.com seinem ärgsten Konkurrenten sogar Geschäftsgeheimnisse wie Kundendaten und interne Kalkulationen offenlegen. Erst das Bundespatentgericht erklärte im November 2008 das Vistaprint-Patent für nichtig.
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