Jörg Mecke

ist Bereichsleiter Cloud Plattformen beim herstellerunabhängigen IT System- und Beratungshaus FRITZ & MACZIOL. Ein anderer Blickwinkel auf die Dinge ist bei ihm an der Tagesordnung.

Aus dem Tagebuch eines “Cloudmachers”

Es war Anfang Mai in einer deutschen Großstadt. Ein heißer Tag, der bei einer Kundenveranstaltung nicht nur die Räume, sondern vor allem viele Gemüter erhitzte. Es ging im Kern wie so oft in dieser Zeit um das wolkige Hype-Thema, das so mancher gar nicht mehr hören mag. Als ausgerufener Cloudmacher bin ich da allerdings Überzeugungstäter.

Im Wortsinne. Ist es doch einer ganzen Armada von Marketingspezialisten mittlerweile gelungen, den Unternehmen – unseren Kunden – die Freude an dieser Innovation zu vermiesen und ihr Wissen zu verwässern. Da ist Überzeugungsarbeit gefragt.

Und so gehen die Gespräche zunächst nicht um die Chancen und Ansätze, sondern um eine Begriffsdefinition. Alles wie gehabt: jeder Begriff in der IT-Gemeinde hat immer auch ein Dutzend Bedeutungen. Eine wahre Kakophonie ist da am Markt unterwegs und lähmt Hirn und Lust. Genauer gesagt, die Lust des Einlassens auf und die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema. Wenn mit einem Mal jeder Webmail-Account gleich Cloud Computing genannt wird (richtigerweise in der Ausprägung SaaS) und ein “ThinClient” der “Cloud Client” ist, quillt das Maß über. Mit solchen Aussage erreicht man nur eins, nämlich die Darstellbarkeit von großen Benutzerzahlen durch vertriebliche Unschärfe. Und so gleicht jeder Gesprächsauftakt einer Runde Doppelkopf mit neuen Spielpartnern: Erst muss man sich auf die Regeln einigen und wenn alle an Bord sind, kann der Spaß losgehen.

Inhaltlich ist Cloud-Computing noch lange nicht beim Durchschnitts-Administrator angekommen. Eine Mischung zwischen Unglaube, Arbeitsplatzangst und Ablehnung begegnet mir in den Gesprächen. Schnell wird klar: Die Produkte der Hersteller und das, was sie vermitteln wollen, sind nur ein Teil der Wahrheit. Nur ein kleiner Teil des Themas. Während viel über die großen Visionen der Wolkenmaschine berichtet wird, kommen ruhige, analytische Töne zu kurz. Grundsatz-Fragen wie: Was muss passieren, damit eine Cloud-Lösung nicht zum Selbstzweck, sondern nachhaltig zum Unternehmenserfolg beiträgt? Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der permanente Ausbau von Rechenzentren nach dem dekadenten “Wir-planen-auf-Wachstum-Motto” ein Ende hat. So hat manch ein IT-Leiter bereits erkannt, dass er wohl in fünf Jahren in seinem Serverraum Fenster einbauen muss, damit er ihn als Arbeitsplatz nutzen kann. Server werden dort dann nicht mehr stehen.

Die Überzeugungsarbeit geht weiter. Während die Virtualisierung die Vorarbeit in der Verdichtung von Rechnern geleistet hat, ist die Verdichtung der begleitenden Prozesse im Vergleich in der Steinzeit zurückgeblieben. Das, was Cloud ausmacht, also die bedarfsgerechte Bereitstellung und Abrechnung von Kapazitäten, kann nur funktionieren, wenn sie durch Automatisierung begleitet wird. Schauen wir einmal auf die Produkte der drei großen Virtualisierungshersteller (alphabetisch geordnet, versteht sich): Citrix mit dem Workflow Studio, Microsoft Powershell und Microsoft Opalis sowie natürlich der Orchestrator von VMware. Bei allen vier Produkten ist festzustellen, dass sie ohne Aufpreis mit ihrer Plattform ausgeliefert werden. Und dass sie höchstens in 5 Prozent der Infrastrukturen im Einsatz sind. Wie kommt das? Sind sie nicht ausgereift oder nicht ergonomisch bedienbar? Die Reife ist unstrittig. Die Ergonomie allerdings ist immer auch eine Frage des Betrachters, da die Automatisierung eine Lücke adressiert. Der Administrator kann meistens nicht skriptieren und der Entwickler interessiert sich nicht für die Infrastruktur.

Kleine Unternehmen gehen daher lieber in die Public Cloud. Ein Eigenaufbau ist zu teuer und mit dem vorhandenen Personal nicht handhabbar. Für Großunternehmen lassen sich alle Szenarien realisieren, da die Arbeitsteilung entsprechend fragmentiert ist. Sie können sich eine Private Cloud bauen (lassen) und sie auch betreiben. Allein Unternehmen des gehobenen Mittelstands bleiben fragend zurück. Sie haben für eine Private Cloud zu wenig und für die Public Cloud zu viele Anforderungen. Hier ist die Lösung keine Frage der Produkte, sondern des Designs und der Prozesse. Letztendlich ist es egal, welcher Hypervisor verwendet wird, welches Monitoring überwacht. Es zählt das Ergebnis im Sinne des Bedarfsträgers, der mehr Macht zur Befriedigung seiner Bedürfnisse bekommt als je zuvor. Nennen wir ihn BENUTZER.



  1. Erfrischender Beitrag
    Es ist sehr angenehm zur Abwechslung auch mal eine kritische Auseinandersetzung mit dem derzeit beinahe zu oft zitiertem Thema Cloud zu lesen. Ich freue mich auf weitere Beiträge!

  2. Nicht ganz uneigennützige Kritik
    Das Geschäftsmodell der Comparex beruht zum größten Teil auf dem Verkauf von Software Lizenzen. Da würde ich auch eine kritische Position zur "Public Cloud" einnehmen. Unter dem Gesichtpunkt der bedarfsgerechten Bereitstellung und Abrechnung von Software-Anwendungen ist die "Private Cloud" derzeit keine wirkliche Alternative, da die meisten Hersteller keine Lizenzmodelle für Unternehmen dafür bereitstellen.

  3. Uneigennützig ?!?
    Die Anmerkung von "Ottokar" sind in der Tat zutreffend: Nicht jeder Software-Anbieter überführt seine Public-Cloud-Angebote auch für Private-Cloud-Kunden. Die von mir vorgebrachte Kritik ging aber nicht in Richtung der Lizenzprogramme. Denn die Frage ist vielmehr: Welcher Kunde fühlt sich hier wirklich abgeholt? Was bleibt, wenn Marketing-Aussagen verschwinden? Als IT-Berater aus Leidenschaft halte ich da mehr mit Stanislaw Jerzy Lec: ?Es genügt nicht, zur Sache zu reden, man muß zu den Menschen reden.? ;-)