Wie in der Supply Chain aus Daten Informationen und aus Informationen Entscheidungen werden, erklärt SCM-Experte Rico van Leuken (Marzahl). Gerade in der Lieferkette liegen eigentlich sämtliche Daten vor, man muss sie nur zusammenbringen aber vor allem muss man diese Daten zum sprechen bringen.
Bessere Informationen bedeuten immer bessere Entscheidungen. Unvollständige, ungenaue oder inaktuelle Informationen können dabei nicht nur bloß nutzlos sein, sondern sind manchmal sogar kontraproduktiv. Deshalb ist es gerade in der Supply Chain, die von einer Vielzahl von Variablen geprägt ist, von größter Bedeutung, über “saubere”, korrekte und höchstaktuelle Daten zu verfügen – und zwar von so vielen Partnern wie möglich. Auf diese Weise erhalten die Verantwortlichen ein klares Bild über die aktuelle Situation und können auf dieser Grundlage die richtigen Entscheidungen treffen.
Die Frage dabei ist: Woher sollen all die relevanten Informationen kommen? Ganz einfach: Im Grunde liegen sie alle vor, sie müssen nur “sichtbar” gemacht werden. Denn jeder der Partner weiß ganz genau, wie es um seine Lagerbestände bestellt ist, wie seine Pläne und Kapazitäten aussehen, etc. Es geht also darum, Transparenz zu erzeugen. Voraussetzung hierfür ist selbstverständlich, dass die Informationen digital vorliegen. Gerade viele kleinere Zulieferbetriebe setzen nach wie vor auf Telefon und Fax. Durch nutzerfreundliche Cloud-Lösungen können sie aber oftmals einfach von einem (auch für sie lohnenden) Umstieg überzeugt werden. Davon abgesehen ist die Schere in Bezug auf den technologischen Stand bei vielen Partnern sehr groß. Eine ideale Lösung muss also in der Lage sein, die Partner unabhängig ihrer technischen Ausstattung, einfach zu verbinden. Auf diese Weise stehen dann dem Netzwerk in Fast-Echtzeit sämtliche relevanten Daten zu Verfügung, egal ob S&OP, Bedarfs- und Produktionsplanung, Lagerbestände, und so weiter. Und aufgrund des immensen Umfanges kann man hier guten Gewissens von “Big Data” sprechen.
Die Daten alleine bringen aber gar nichts, sie müssen in den richtigen Kontext des gemeinsamen Geschäftsprozesses gebracht werden. So sagt die Mitteilung, dass 300 Teile XY geliefert werden, an sich nichts darüber aus, welche Schritte (wenn überhaupt) als nächstes zu unternehmen sind. Hat man beispielsweise 3.000 Stück geordert und erhält nur 300, hat man ein Problem. Erst im richtigen Kontext, also durch eine Harmonisierung der Daten, gewinnen Informationen an Bedeutung.
Auf dieser Grundlage können in einem Netzwerk nun umfangreiche Berechnungen in Fast-Echtzeit durchgeführt werden. Und zwar jedes Mal, wenn Daten im Netzwerk aktualisiert werden. So werden sowohl aktuelle und prognostizierte Werte der kritischen Faktoren (wie Lagerbestand) kalkuliert und mit Richtwerten verglichen. Sobald ein vorher festgelegter Grenzwert über- oder unterschritten wird, werden die entsprechenden Teilnehmer automatisch gewarnt. Dieses Frühwarnsystem reduziert die Risiken deutlich, da die Partner zeitnah auf Probleme reagieren können – meist schon, bevor sie entstehen. Zugleich zeigen die (neu-)berechneten Prognosen, was für Auswirkungen welche Entscheidungen haben.
Sämtliche relevanten Informationen wurden nun gesammelt (und wenn nötig digitalisiert), harmonisiert, im Netzwerk geteilt und aufbereitet. Das Problem und die Ziele sind für alle Beteiligten nachvollziehbar. Das Netzwerk ist dabei nicht nur die Basis für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch, sondern auch für Zusammenarbeit (Collaboration) und gemeinsame Entscheidungsfindung. Doch wie sollte sie konkret ablaufen? Warum sollte ich als Hersteller nicht einfach meinen Lieferanten sagen, was sie zu tun haben? Wieso sollte ich durch Collaboration alles unnötig komplizieren? Ganz einfach: Weil dies Zeit und Geld spart und tiefe, dauerhafte Partnerbeziehungen etabliert. Jeder erledigt im Wertschöpfungsnetzwerk den Job, in dem er gut ist und bringt seine Stärken und Expertise ein. Durch die koordinierte Zusammenarbeit lernen die Partner voneinander und können auf diese Weise ihre Prozesse optimieren.
Ist die Entscheidung getroffen, gilt es nun, diese zeitnah in die Tat umzusetzen. Dazu werden dieselben Tools genutzt, die schon bei der Entscheidungsfindung zum Einsatz kamen – nur in „umgekehrter“ Richtung. Die gemeinsame Lösung kann somit innerhalb kürzester Zeit ausgeführt werden, wobei alle Beteiligten genau wissen, wer was und warum zu tun hat. Dies ist – gerade im Vergleich zum “klassischen” Ansatz – eine immense Zeitersparnis. Und Zeit ist in modernen Wertschöpfungsnetzwerken die vielleicht knappste Ressource.