Die IT-Stäbe sind von Cloud Computing nicht zwangsläufig begeistert. Wie man Ängsten und Herausforderungen begegnen kann, schildert Sebastian Weiss von dem OpenStack-Spezialisten Mirantis in seinem aktuellen Beitrag.
Cloud wird gemacht. Punkt. Meistens nicht, weil die IT-Mannschaft zusätzliche Rechen-Power oder Storage braucht, die das RZ nicht hergibt, sondern auf Insistieren von oben.
Da sind Kostenvergleiche zur In-house-ITund die Auslastung der Ressourcen nicht einmal das entscheidende Druckmittel. Wichtiger ist, dass der Betrieb der IT einfach zu viel Zeit benötigt, IT-Ressourcen bereitzustellen, bevor die Developer überhaupt anfangen können, neue Ideen in Code umzusetzen.
Time to Market beziehungsweise Value ist die treibende Kraft aller großen Unternehmen, da sie einem extremen Konkurrenzdruck ausgesetzt sind: Hotelbranche versus Airbnb, Telekommunikation versus Whatsapp, Automobilbranche/Nahreisen versus Uber et cetera.
Aber wer implementiert und betreibt die Cloud? Die Leute aus dem Betrieb natürlich, und zwar die Cracks. Die Spezialisten werden zusammengezogen aus den Bereichen Computing, Netzwerk und Speicherlösungen. Allesamt gut bezahlte Fachleute, die auf ihrem Gebiet an der maximalen Verfügbarkeit ihrer jeweiligen Systeme gemessen werden.
Die erfahren dann als Erstes, dass in der Cloud die Zahl nach der vierten 9 überhaupt nicht mehr wichtig ist, es keine Service-Level Agreements auf Seiten ihrer Plattform mehr gibt, die Cloud horizontal über große Massen an Commodity-Hardware skaliert und eine abgestürzte Instanz in dieser Herde an Rechner durch eine andere einfach ersetzt wird.
Fachwissen entwertet?
Es ist schockierend für den ausgefuchsten Datenbank-Administrator, dass er sich jetzt erst einmal damit beschäftigen soll, was seine Maßnahmen für die virtuellen Maschinen und das Netzwerk bedeuten. Und umgekehrt, da es ein nahtloses Zusammenspiel aller IT Domänen voraussetzt. Ist das nicht eine Entwertung des Fachwissens und in der Konsequenz ein kaum verschleierter Angriff auf Gehalt und Bonusregel? Muss da nicht erst eine andere Stellenbeschreibung her? Oder ist es ein zusätzliches Aufgabengebiet zum bisherigen Job bei gleichem Gehalt? Ganz abgesehen davon saß man früher neben anderen Spezialisten des gleichen Fachs. Ja doch, “Silo”, aber wie soll man mit Leuten PL/SQL reden, die nur “Sudo” können?
Und diese Sprüche! “Cloud heißt Service-Orientierung!” Vor einem dutzend Jahren klang das ähnlich, bloß mit ITIL statt Cloud. Was hat sich getan? Es gibt keinen Turnschuh-Support mehr, sondern einen Helpdesk, der Incident-Meldungen an Spezialisten weiterleitet, die den Engpass eh schon erkannt haben. So schlecht kann ein Silo mit 99,998 Prozent Verfügbarkeit ja wohl nicht gewesen sein.
Und überhaupt: Die Entwickler haben künftig die Macht, Dev scheint der Magierzirkel der Cloud zu werden, für Ops gibt es ja tonnenweise Tools. “DevOps”, noch so ein Zauberwort, um eine andere Mauer zwischen den IT-Abeilungen zu kaschieren und alle in einem Framework zur Kollaboration zusammen zu fassen.
Die Skepsis ist menschlich
Das sind Einwände, Bedenken, Unsicherheiten und Widerstände bei Cloud-Präsentationen und am Anfang von Schulungen. Und doch ist dieses Verhalten vollkommen menschlich. Wer ist denn nicht skeptisch, wenn es um Veränderungen privater oder beruflicher Natur geht? Tatsächlich ist es Unsinn, mit Verweis auf Tools von hochkarätigen Spezialisten zu verlangen, neben ihrer bisherigen Arbeit auch noch eine Cloud-Infrastruktur aufzubauen.
Das wird keiner Seite gut tun. Wenn die Leute zwischen zwei verschiedene Welten hin und her springen müssen, kommen sie in keiner an. Manche Unternehmen sehen sich jedoch zu diesem Konstrukt erst einmal gezwungen, weil die Talente im Bereich Cloud rar sind und es einem großen Invest gleich kommt, neue Stellen zu schaffen.
Der Aufbau einer Cloud braucht Freiräume, sonst bringt sie später keine. Am besten ist der Ansatz der “grünen Wiese”, ein eigener Bereich, aber mit klaren Grenzen. Denn es wird weiterhin eine Menge Anwendungen geben, die in genau definiertem Rahmen laufen, wenn auch inzwischen virtualisiert. Es geht nicht darum, Workloads zu verschieben, sondern die Cloud soll elastische Kapazitäten für neue Aufgabenstellungen schaffen, die sich schnell ändern könnten.
Andere Maßstäbe als im Silo
Hier läuft das IT-Leben völlig anders als bisher, egal ob Public, Private oder Hybrid Cloud: Abgerechnet wird nach Pay-As-You-Go-Modellen, Fehlschläge sind völlig normal und akzeptabel, weil Schnelllebigkeit im täglichen Geschäft das Maß ist. Clouds sind die perfekte Plattform für die mutigen und innovativen Köpfe. Kreditkarte angeben, virtuelle Maschine bestellen, im Co-Working Space die nötigen Köpfe zusammenbringen und einfach drauflos coden.
Wer sein Silo-Spezialgebiet nicht verlassen mag, sollte auch nicht dazu gedrängt werden. Die weiterhin bestehende klassische IT wird auch übermorgen noch Spezialisten benötigen. Allerdings geht es in der Cloud nicht weniger anspruchsvoll zu.
Es geht eher darum, dass noch mehr Wissen gebraucht wird: Spezialisten mit Kenntnissen, was jenseits ihres Fachgebiets die Bedingungen und die Möglichkeiten sind. Koordinatoren zwischen Business und Entwicklern, Enabler für tolle neue Ideen und Konzepte auf einer Plattform, Manager von mannigfaltigen Umgebungen/Tenants.
Eben Cloud-Spezialisten, die sich in mehr als einer Disziplin auskennen. Und wer sich in dieser Beschreibung wiederfindet, der weiß auch, dass er demnächst bei Gehaltsgesprächen der Schrecken der Personaler sein wird.