Heinrich Welter

ist Vice President Sales und General Manager für die DACH-Region bei Genesys Telecommunications Laboratories.

Contact Center aus der Cloud – mehr Skalierbarkeit, weniger Individualität?

“Contact Center as a Service” oder Contact Center aus der Cloud bieten ähnliche Funktionen, wie sie von On-Premise-Lösungen bekannt sind. Warum das Contact Center aus der Cloud nicht rein “von der Stange” sein muss und welche Sicherheitsaspekte man berücksichtigen sollte, erklärt Genesys-Geschäftsführer Heinrich Welter im Blog für silicon.de.

In den letzten Jahren, als Cloud-Lösungen ihre Vorteile für höhere Effizienz und Business-Flexibilität unter Beweis stellen konnten, hat auch die Call-Center-Branche den Schritt gewagt, von On-Premise- auf Cloud-Anwendungen zu wechseln. Hinter einem Contact Center as a Service (CCaaS) verbirgt sich ein Rechenzentrum mit intelligentem Management und für Contact Center spezifische Software-Komponenten, die für den Betrieb einer Contact-Center-Lösung notwendig sind. Die Cloud ACDs (Automated Call Distribution) der ersten Generation – welche bis heute immer noch im Einsatz sind – sind im Prinzip On-Premise-Lösungen, die jedoch nicht in den Räumen der Kunden, sondern in den Rechenzentren der Anbieter stehen.

Heinrich Welter Genesys Telecommunications Laboratories. (Bild: Genesys )
Heinrich Welter ist Vice President Sales und General Manager für die DACH-Region bei Genesys Telecommunications Laboratories und bloggt für silicon.de über die Contact-Center-Branche in Deutschland. (Bild: Genesys)

Mittlerweile hat sich eine zweite Generation der Cloud Contact Center etabliert – CCaaS. Diese eliminiert viele Nachteile der ersten Generation, ist nun mandantenfähig (auf dem Softwaresystem können mehrere Mandanten, also Kunden oder Auftraggeber, bedient werden, ohne dass diese gegenseitig Einblick in ihre Daten haben) und nahezu unendlich skalierbar. Damit die neuen Anforderungen an Cloud-Lösungen umgesetzt werden können, kommen spezialisierte “On-Demand Cloud-Computing-Plattformen” zum Einsatz, zum Beispiel Amazon Web Services. Diese sind eine wichtige Voraussetzung für den reibungslosen Betrieb von Contact Centern aus der Cloud.

Ein wesentlicher Vorteil der neuen Generation Cloud-basierter Lösungen ist, dass Cloud-Anbieter nur noch eine einzige Plattform verwalten müssen, von der alle Kunden ihre Call-Center-Dienste beziehen, anstatt für jeden Kunden eine eigene Plattform zu betreiben. Eine große Erleichterung, wie ich finde, denn sie ermöglicht enorme Effizienzverbesserungen. Entwickler- und Support-Ressourcen verausgaben sich jetzt nicht mehr für viele verschiedene Plattformen, sondern konzentrieren sich auf eine einzige. Neue Funktionen können so sehr viel schneller angeboten werden — in der Regel jede Woche —, während konventionelle Plattformen nur drei bis viermal pro Jahr mit Neuerungen aufwarten können.

Allerdings hat dies auch einen Haken: Da diese eine Plattform von allen Anwendern benutzt wird, sind kundenindividuelle Anpassungen — bis auf die Einflussnahme über die öffentlichen Schnittstellen — nur in sehr beschränktem Umfang möglich. CCaaS-Varianten sind quasi Standardprodukte.

Contact Center aus der Cloud = von der Stange?

Indem alle Anwender eine einzige CCaaS-Anwendung respektive -Plattform gemeinsam nutzen, werden auch neue Funktionalitäten oder Änderungen für alle Kunden gleichzeitig wirksam. Das klingt erst einmal gut, ist aber nicht immer erwünscht. Bei vielen Unternehmen unterliegen Änderungen an IT-Systemen gesonderten Prozessen, besonders wenn diese mit der bestehenden Kundeninfrastruktur vernetzt sind (man denke an CRM-Systeme, Datenbanken, Telefonanlagen oder Workforce-Management-Systeme).

Multi-Cloud (Bild: Shutterstock.com/bluebay)

Damit soll sichergestellt werden, dass die Änderungen kompatibel sind. Aber auch die Bereitstellung von CCaaS-internen Änderungen oder Erweiterungen ist nicht immer konfliktfrei. So besteht gerade bei größeren Änderungen der Wunsch, die davon betroffenen Mitarbeiter vorher zu informieren und zu schulen.

Die Hersteller haben diese Herausforderungen jedoch größtenteils erkannt und entsprechend reagiert. So können mittlerweile viele der bekannten, früheren individuellen Anpassungen, zum Beispiel Last-Agent-Routing, für das Standardprodukt und damit für alle Anwender zur Verfügung gestellt werden. Zur Steigerung der Kompatibilität werden spezielle Schnittstellenmodule (Connector) für die unterschiedlichen externen Systeme zur Verfügung gestellt. Diese Schnittstellenmodule sind Bestandteil der zentralen CCaaS-Plattform, können jedoch unabhängig davon kundenindividuell verwaltet werden.

Ein Beispiel: Ein Connector ist an ein Salesforce-CRM-System angebunden. Würde sich die Salesforce-Schnittstelle ändern, dann stünde auch für den Salesforce-Connector eine neue Software zur Verfügung, die dann nach Belieben aktiviert werden könnte. Meiner Meinung nach eine elegante Lösung, denn diese Methode stellt sicher, dass sensible externe Daten — z.B. Kundeninformationen — über den kundeneigenen Connector gezielt gesteuert und gefiltert werden können. Damit hat der Anwender direkte Kontrolle über seine Daten und kann somit — trotz Cloud — seine individuellen, datenschutzrelevanten Anforderungen erfüllen.

Wenn eine größere Änderung der Funktionalitäten ansteht, bieten viele CCaaS-Anbieter mittlerweile sogenannte „Feature Toggles“. Damit kann jeder Kunde bei wichtigen Funktionserweiterungen selbst bestimmen, wann diese für ihn freigeschaltet werden sollen.

Sicherheitsbedenken – ein mittlerweile zahnloses Monster

Gerade bei Cloud-Anwendungen gibt es allerdings immer noch zahlreiche Bedenken und Vorbehalte hinsichtlich der Sicherheit. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Angst vor Verlust der Kontrolle über die Daten und Anwendungen
  • Verletzung geltender Vorgaben und Richtlinien (z. B. Datenschutzanforderungen)
  • Viele unbekannte Nutzer teilen sich eine gemeinsame Infrastruktur
  • Steigendes Risiko einer Verletzung der Grundwerte der Informationssicherheit
  • Daten bzw. Anwendungen werden über das Internet genutzt, so dass ein Ausfall der Internetverbindung den Zugriff unmöglich macht
  • Zunahme von verteilten Distributed-Denial-of-Service (DDoS)-Angriffen auf Cloud-Computing-Plattformen
  • Sehr hohe Komplexität kann zu erheblichen Sicherheitsherausforderungen führen (Ausfall von Diensten, Datenverlust etc.)

Diese Punkte sind durchaus valide, doch es lohnt sich, bei Cloud-Diensten etwas genauer hinzuschauen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationsverarbeitung (BSI) hat dazu einen Leitfaden zur Beurteilung von Sicherheitsrisiken herausgegeben. Diese BSI-Empfehlungen bieten eine sehr gute Orientierung, um schnell, günstig und trotzdem professionell einen sicheren Cloud-Anbieter zu finden, der die bestehenden Sicherheitskonzepte entsprechend umsetzt und mögliche Sicherheitsbedenken zerstreut.

Tipp der Redaktion

EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Im Mai 2018 endet die Übergangsfrist für die neue EU-Datenschutzverordnung. Welche Neuerungen sie bringt, was passiert, wenn sich Firmen nicht daran halten und wie sich Unternehmen vorbereiten können, erfahren Sie im Special auf silicon.de.

Nicht zuletzt sind meiner Ansicht nach Cloud-Dienste mitunter sogar als sicherer gegenüber anderen Lösungen, da sie in puncto Sicherheit über viel mehr Ressourcen verfügen, als dies einzelne Unternehmen leisten können. Zu den bewährten Empfehlungen im Hinblick auf Sicherheitsaspekte gehören folgende Punkte:

  • Sicherheit bezüglich anwendbaren Rechtes: Gerichtsstand sollte in Deutschland liegen und wenigstens EU-Recht-Gültigkeit haben
  • Sicherheit bezüglich des geografischen Standorts der Daten: Als Cloud-Standort sollte ein Land innerhalb der EU gewählt und vertraglich vereinbart werden
  • Problemloser Zugriff auf Daten oder Software: Die Zugriffsregelungen sollten Bestandteil des Vertrages sein
  • Geringe Kosten für den Erwerb von Cloud-Diensten: Kosten für den Erwerb von Cloud-Diensten sind i.d.R. sehr viel günstiger als bei On-Premise-Lösungen
  • Last but not least: Hinreichende eigene Kenntnisse über Cloud Computing

Cloud Computing und die damit einhergehenden Vorteile werden die breite Masse der Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Infrastruktur zu erweitern, Kapazitäten nach Bedarf hinzuzufügen oder die gesamte Infrastruktur auszulagern, größere Flexibilität zu erreichen, eine größere Auswahl an Rechenressourcen zur Verfügung zu haben und gleichzeitig von erheblichen Kosteneinsparungen zu profitieren. Wer einige wichtige Punkte bei der Auswahl seiner Cloud-Partner beachtet, wird hier durchaus große Effizienzsteigerungen sehen können.

Allerdings ist dieser Wandel nicht immer von einen Tag auf den anderen umzusetzen und stellt die IT-Verantwortlichen nicht selten vor große Herausforderungen. Denn sie werden weiterhin ihre internen – wenn auch auf Dauer dramatisch reduzierten – Computing-Umgebungen verwalten und gleichzeitig lernen müssen, sich auf die Sicherung, Verwaltung und das Monitoring der wachsenden Bereiche der externen Ressourcen in der Cloud zu konzentrieren. Der Weg führt dennoch nur nach vorne – ohne Cloud-Dienste wird kein Unternehmen mehr wettbewerbsfähig sein.



Heinrich Welter ist seit 1. Juni 2016 bei Genesys Telecommunications Laboratories für die Leitung der Geschäfte in der DACH-Region verantwortlich. Welter war bereits von 2009 bis 2013 als Senior Director Strategic Sales bei Genesys. 2013 wechselte Welter als Leiter Vertrieb und Operations zu HFN Medien GmbH, wo er nach kurzer Zeit die Position des Sales Director DACH Nuance Enterprise Division & General Manager HFN übernahm. Vor 2009 hatte Welter die Position als Account Manager bei der im Mai 2006 von Genesys akquirierten VoiceGenie Technologies Inc. (Toronto, Kanada) inne, für die er seit 2002 das Europageschäft aufgebaut hatte. Davor war Heinrich Welter u.a. im Global Account Management bei Oracle und Vignette tätig. Neben langjähriger Vertriebserfahrung verfügt der Autor mehrerer Bücher auch über ein fundiertes technisches Hintergrundwissen.