Wer stets über alle Vorgänge in der Lieferkette informiert sein will, kommt ohne vernetzte Netze nicht mehr aus, betont Christian Titze, Research Director bei Gartner in seinem aktuellen Blog für silicon.de.
Wo ist mein Auftrag? Befindet sich die Lieferung im gewünschten Zustand – hat sie zum Beispiel die richtige Temperatur? Gibt es irgendwo in der Lieferkette ein Problem? Diese Fragen lassen sich heute nur beantworten, wenn Supply Chain Netzwerke zusammenarbeiten und untereinander Daten austauschen. Das Konzept der “vernetzten Netzwerke” ist deshalb heutzutage nicht mehr wegzudenken und wird sich zukünftig – trotz aller Einschränkungen und Unsicherheiten – noch weiter ausbreiten.
Warum?
Heutige Lieferketten sind global aufgestellt und Firmen arbeiten mehr und mehr in einem Ökosystem-Umfeld. Das macht die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Geschäftspartnern über mehrere Stufen hinweg notwendig. Supply Chain Netzwerke erfüllen dabei unterschiedliche und spezifische Rollen: So gibt es globale Transportnetzwerke für unterschiedliche Modalitäten (Bahn, Straße, Schiff, Flugzeug), Netzwerke, die Risikoinformationen bereitstellen, oder auch regionale Netzwerke, welche Sensordaten lesen, sammeln, konsolidieren und analysieren.
Unternehmen verlangen nun diese Lieferketten end-to-end zu überblicken: Die Verbindung der einzelnen Netze soll Transparenz herstellen und dabei die Vorteile und Stärken der einzelnen Netzwerke im Verbund nutzen.
Der Traum der Interoperabilität wird wahr!
Supply Chains befinden sich derzeit mehr denn je im Wandel. Digitale Geschäftsmodelle, die B2B-Ökonomie und das IoT (Internet of Things) sind nur einige der Themen, die eine Neuausrichtung bewirken. Firmen verlangen nach besserer Systemintegration, vermehrtem Datenaustausch und Mobilität der Daten – “wann immer, wo immer, wie immer”. Das Ziel ist es, bessere und zeitnahe Entscheidungen treffen zu können.
Aber wie verbinden sich nun die Supply Chain Netzwerke? Nicht viel anders als wie sich einzelne Firmen in Netzwerke einbinden. Welche der zahlreichen Möglichkeiten genutzt wird, hängt natürlich auch vom Reifegrad der einzelnen Geschäftspartner und den Transaktionscharakteristiken (Volumen, Frequenz, Komplexität) ab. Schauen wir uns einmal die traditionellen Verbindungsmöglichkeiten für Datenaustausch an:
Methode | Beschreibung | Charakteristiken | Reifegrad |
---|---|---|---|
Einfacher Austausch über registrierte E-Mail-Adresse; eventuell automatisiertes Einlesen und Bearbeiten. | Gering ausgeprägt | Gering | |
Web-Portal | Interaktion über Browser; Eingabe von z.B. Vorhersagen, Bestätigungen, Rechnungen | Gering ausgeprägt | Gering |
B2B-Gateway / Client | Informationsaustausch vom Kundensystem mit dem Netzwerk über ein beim Kunden installiertes B2B-Gateway. Verwendung für Firmen, deren interne Systeme nicht für direkten externen Datenaustausch bestimmt sind. | Mittel bis stark ausgeprägt | Mittel |
System zu System | Direkte Verbindung vom Kundensystem zum Netzwerk über B2B-Protokolle wie EDI. Verwendung für Firmen, deren interne Systeme für einen direkten, strukturierten, externen Datenaustausch offen sind. | Stark ausgeprägt | Hoch |
Managed Platform | Anbindung der Geschäftspartner über alternative Methoden wie z.B. APIs. Verwendung für den direkten, externen Datenaustausch via ‘offener’ Methoden. | Stark ausgeprägt | Hoch |
Über solchermaßen vernetzte, interoperable Netzwerke können sich Unternehmen mit Geschäftspartnern verbinden, die bereits in anderen Netzwerken integriert sind:
- Daten werden mit den obigen Methoden und Formaten ausgetauscht
- Die Intervalle des Datenaustausches sind ähnlich denen von direkten Verbindungen – je nach Bedarf zeitnah sein, möglichst zeitnah, im Batch oder auch ad-hoc
- Der Transfer kann einfach, bi-direktional oder auch multi-direktional ausgeführt werden
Ein Anwendungsbeispiel
Eine Firma mit regionalen Produktions- und Vertriebsstandorten aber einer Vielzahl von globalen Zulieferern möchte ihre Lieferkettensichtbarkeit verbessern, um schneller auf mögliche Störungen in der Lieferkette zu reagieren (reaktiv) oder, noch besser, diese sogar zu vermeiden (proaktiv).
Als erster Schritt tritt jene Firma einem globalen Transportnetzwerk für die Auftragsabwicklung und Collaboration mit Lieferanten und Logistikpartnern bei. Dies erlaubt die Transparenz über mehrere Stufen und Transportwege, hauptsächlich via Meilensteinrückmeldungen, wenn auch nicht immer zeitnah.
Wichtig wäre es jetzt auch noch, zeitnahe Daten von zum Beispiel Schiffsfrächtern oder GPS-Daten von lokalen LKWs zu erhalten, um noch besser die Produktion (JIT – just in time) oder auch Lagerhausabwicklungen planen und ausführen zu können. Und nicht nur das – Risikodaten über Streiks oder Wetterkapriolen würden weiter dazu beitragen, den Ablauf zu verbessern und gegebenenfalls schnell zu reagieren.
Mehr vom Team der deutschen Gartner-Analysten
Das Team der deutschen Gartner-Analysten bloggt für Sie auf silicon über alles, was die IT-Welt bewegt. Mit dabei sind Christian Hestermann, Frank Ridder, Bettina Tratz-Ryan, Christian Titze, Annette Zimmermann, Jörg Fritsch und Hanns Köhler-Krüner.
Dafür sollte sich das erste Transportnetzwerk mit weiteren, fachspezifischen Netzwerken (Ozean-/Schiffsdaten, Telematiksysteme, Risiko-Tools) verbinden und Daten austauschen. Natürlich alles in Bezug auf die spezielle Lieferung oder den Auftrag, d.h. das Mapping zwischen den einzelnen Geschäftspartnern und Datenobjekten ist die Grundlage.
Schlussendlich weiß nun die Firma ganz genau Bescheid über die anfangs gestellten Fragen: An welchem Ort und in welchem Zustand befindet sich die Lieferung? Läuft alles nach Plan oder treten in der Lieferkette Probleme auf? Das alles kann derzeit mit einem einzigen Netzwerk nicht erreicht werden – aber mit einem Netzwerkverbund.
Aber Achtung!
Nicht zu vernachlässigen sind aber hierbei Themen wie das Eigentumsrecht (ownership), die Governance sowie Zugriff und Kontrolle (access and control) zu und von den Netzwerken und Daten. Durch die Vernetzung und intelligenten Auswertungen ergeben sich möglicherweise neue Aspekte und Korrelationen. Da sich die Netzwerke mehrheitlich in einer Public Cloud befinden, sind all diese Themen jetzt nicht mehr innerhalb einer Firma zu sehen, zu behandeln, und zu kontrollieren – und müssen deshalb besondere Beachtung finden.