Ingo Marienfeld

ist Geschäftsführer bei BMC

Der CIO im digitalen Unternehmen

Die Frage ist nicht, ob man sich für sie bereitmachen muss, sondern wie man sie überlebt, so drastisch formuliert es Ingo Marienfeld, Geschäftsführer BMC Deutschland, wenn er heute im silicon.de-Blog über die Digitalisierung spricht. Aus seiner Sicht ist vor allem der CIO bei der Transformation gefragt.

Digitale Transformation ist für die meisten Unternehmen ein erklärtes Ziel. Dazu kommen die Konsumerisierung der IT und der wachsende Gebrauch von Cloud-Angeboten. Da ist es kein Wunder, dass selbst die besten IT-Abteilungen ins Schwitzen kommen.

Wenigstens ist der Weg der Digitalen Transformation bereits vorgezeichnet: Die IT-Analysten von IDC haben fünf Stadien ausgemacht, die Unternehmen durchlaufen, bis sie sich “digital transformiert” nennen können. Die IDC Digital Transformation MaturityScape erstreckt sich dabei vom “Ad Hoc”-Stadium, bei dem die digitalen Initiativen von Business und IT nichts voneinander wissen, bis zum “optimierten” Endstadium. In diesem setzen Unternehmen aggressiv und disruptiv neue Technik und Geschäftsmodelle ein, um Märkte zu beeinflussen.

Digital transformierte Unternehmen werden auch als “Digitale Disruptoren” bezeichnet. Sie verfügen über einen klaren Feedback-Loop und über die Macht, Märkte durcheinander zu wirbeln und nach ihrem Gusto zu formen. Ein solcher Disruptor hat eine derartige Geschwindigkeit aufgenommen, dass er nur schwerlich von der Konkurrenz eingeholt werden kann.

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Innovation heißt Störung

Im Grunde sind es zwei Wahrheiten, die ein CIO anerkennen muss, wenn er die Digitale Transformation gemeinsam mit dem Unternehmen vollziehen will. Erstens: Innovationen sind Störungen. Zweitens: Innovation braucht nicht nur Technik.

Die erste Erkenntnis hat etwas damit zu tun, dass Plattformtechnologien die IT-Prozesse verkomplizieren, seien es Mobile-, Social-, Cloud- oder Big-Data-Analytics-Technologien. Innovationen haben Auswirkungen auf das ganze Unternehmen, selbst wenn sie auf den ersten Blick nebensächlich erscheinen.

Der französische Pharmakonzern Sanofi durfte die Macht kleiner Innovationen selbst erleben. Er entwickelte ein Gerät, das den Blutzucker misst. Es war auf 10.000 Nutzer ausgelegt, doch erfreute sich schnell einer so großen Beliebtheit, dass die IT-Abteilung bei Sanofi nun Millionen neuer Kunden unterstützen muss.

Vom eigenen Erfolg überhohlt: Sanofi musste schnell einen neuen Service für das Messen von Blutzucker skalieren. (Bild: Sanofi)
Vom eigenen Erfolg überhohlt: Sanofi musste schnell einen neuen Service für das Messen von Blutzucker skalieren. (Bild: Sanofi)

Für ein neues Gerät Support anzubieten will also wohl überlegt sein – denn wenn die IT nicht liefern kann, nimmt die Nutzererfahrung drastisch ab. Am Ende schadet das Gerät dem Ruf des Unternehmens mehr als es nützt. Innovation bedeutet Störung. Es ist zwar eine nötige Störung, doch auch ein Faktor, der einkalkuliert werden will.

Transformation klappt nur gemeinsam

Die zweite Erkenntnis hat etwas mit den Prozessen im Unternehmen zu tun. Innovative Ideen gehen durch viele Ebenen, der CIO muss mit unterschiedlichen Stakeholdern zusammenarbeiten. Eine strikte Regulierung hat ihren Zweck, doch erschwert sie die Digitale Transformation, weil das Unternehmen zwar kontrolliert, aber auch schwerfällig ist.

Aktuell bewegen sich jedoch viele Unternehmen in die entgegengesetzte Richtung. Immer mehr Abteilungsleiter verfügen über ein eigenes IT-Budget und treffen unabhängige Entscheidungen. CIOs droht der Kontroll- und Anschlussverlust. Auf der anderen Seite steht die IT-Abteilung, die für sich selbst innoviert, so geschehen in der New Yorker Börse. Im Juli 2015 standen dort alle Räder still – ein dringendes Software-Update musste installiert werden, um mit den neuen Compliance-Regeln mitzuhalten. Ohne Zusammenarbeit geht es nicht. Alleine kann der CIO das Unternehmen nicht transformieren, doch ohne ihn fehlt die Richtung.

Der CIO als Digitaler Transformer

Was können CIOs also tun, um das Unternehmen von der “Ad Hoc”- in die “optimierte” Phase zu bringen? Kurz gesagt: Streamlining. Das CIO Magazin hat in seiner Umfrage “State of the CIO” im Januar 2016 herausgefunden, dass CIOs 45 Prozent ihrer Zeit mit transformativen Aufgaben beschäftigt sind. Das klingt nachvollziehbar, ist es ja die Aufgabe des CIOs, Produktivität und Innovation im Unternehmen durch Technik und schlanke IT-Prozesse anzukurbeln.

Streamlining bedeutet aber nicht nur, Prozesse zu verschlanken. Auch die Erfahrung des Nutzers mit der IT muss “geschliffen” sein, intuitiv. Er muss eins werden mit der Technik. Warum ist es die Aufgabe der IT, es dem Nutzer leichter zu machen? Kann er nicht einfach das Handbuch lesen? Die Antwort ist ganz klar – heute hat der Nutzer das Sagen. Er bestimmt, was “gute” Technologie ist, durch seine Nutzung gibt er seine Präferenz bekannt. “Google” ist heute ein Verb. Die Suchmaschine steht für die neue Generation der Nutzererwartung: minimale Oberfläche, maximale Power.

Ein weiterer Schritt hin zum “optimierten” Status der IDC MaturityScape ist die Fähigkeit des CIOs, sich Änderungen schnell anzupassen und sofort auf Disruptionen zu reagieren. Dafür müssen sie laut IDC für die Integration und Koordination aller Cloud-Dienste und Drittanbieter offen sein. Dazu gehört auch BYOD.

Deutsche Angestellte nutzen verschiedene Plattformen und Geräte, um ihre Arbeit zu erledigen – vom File-Sharing bis zum Video-Call auf dem Smartphone. IT-Sicherheit ist zwar eine der drei Top-Prioritäten von CIOs, wie die erwähnte “State of the CIO”-Umfrage zeigt. Dennoch sollte Sicherheit kein Grund sein, um diese Geräte und Anwendungen zu verbannen. Die IT kann und sollte mit den Arbeitsvorlieben der Mitarbeiter zurechtkommen, ohne die Sicherheit der Unternehmensdaten zu gefährden.

Fazit: Der CIO am Steuer

Die Digitale Transformation ist eine Evolution, die Unternehmen noch lange beschäftigen wird. Allerdings geschieht sie in einem atemberaubenden Tempo – und viele CIOs scheinen dafür noch nicht umfassend vorbereitet zu sein. Sie müssen sich eingestehen, dass Transformation und Innovation im gesamten Unternehmen passiert, weder in einzelnen Abteilungen noch nur in der IT.

Dennoch spielt die IT in dieser Evolution die Hauptrolle. Jedes Unternehmen hängt jetzt davon ab, dass Entwickler Anwendungen entwickeln und Services schaffen, mit denen sich Innovation verkaufen lässt. Technik unterstützte früher das Business – heute ist sie das Business. Ohne die nötigen Investitionen in Technik und in Entwickler, die all das umsetzen, wird kein Unternehmen an der Küste der schönen neuen digitalen Welt anlanden. Das Schiff hat die Segel gesetzt und Fahrt aufgenommen – jetzt muss der CIO ans Steuer.