silicon.de-Blogger Stefan Pfeiffer ist beim Blick in sein E-Mail-Postfach genervt. Einerseits kennt er genug Möglichkeiten, die Informationsflut anders zu bewältigen – andererseits verschickt er selbst bisweilen E-Mail-Newsletter.
Schon wieder Dutzende ungelesener Nachrichten. Wieder einmal bin ich maximal genervt über die Flut von E-Mails und Spam, der trotz Spamfilter in meinem Posteingang ankommt. Aber es halt oft eine andere Art von Spam-Dosenfleisch. Nicht die gängigen Verkaufspromos, die die modernen Spamfilter doch herausfiltern, dafür aber andere nervende Nachrichten.
Leider ist meine E-Mail-Adresse durch diverse Publikationen bekannt. Also erhalte ich natürlich Post aus Afrika und Asien, wo ich mit der Anrede “Bester Freund” eine Millionenerbschaft in Aussicht gestellt bekomme. Ein Klick und weg in den Mülleimer. Vielelicht sollte ich mir eine Regel bauen, die solche Mails automatisch löscht oder vielleicht doch zu riskant. Könnte ja mal wirklich die Millionenerbschaft drunter sein.
Eine weitere Spam-Kategorie sind die Veranstaltungspromotionen und Newsletter, die ich bekomme. Die entsprechenden Absender haben meine E-Mail über das Web eingesammelt oder aber wir hatten Kontakt auf einer Veranstaltung bzw. bei einem Termin, wo Visitenkarten getauscht wurden. Und schwupp ist meine E-Mail-Adresse dann natürlich auch im Marketingverteiler gelandet. Randbemerkung: Kennen sollte man als Empfänger – aber auch als Absender von E-Mail Newslettern – die unterdessen verschärften gesetzlichen Richtlinien, die ein explizites OptIn, ein Impressum und die Möglichkeit zum Unsubscribe beinhalten.
Aber ich bekenne mich auch schuldig: Als Informationsjunkie habe ich auch den ein oder anderen Newsletter selbst abonniert, ein White Paper heruntergeladen, meine E-Mail hinterlassen und vielleicht das falsche Häkchen bei “Wollen Sie regelmässig informiert werden” gesetzt. Und schon kommen regelmässige E-Mails in meinem eh schon überfüllten Posteingang an. Und nahezu immer ist der Informationswert dieser Nachrichten vernachlässigenswert. Ich empfinde sie bis auf wenige Nachrichten als lästig und als Werbung und habe unterdessen meine Konsequenz gezogen, bestelle diese E-Mails und Newsletter rigoros ab. Dies wird meist in den Fusszeilen der Nachrichten – oft etwas versteckt – angeboten.
Hier hat sich mein Informationsverhalten deutlich geändert. Vor Jahren habe ich mich in hohem Maße auf E-Mail Newsletter verlassen. Unterdessen befriedige ich meine Informationssucht jedoch auf andere Weise: über Google Alerts, die mich täglich zu bestimmten Themen informieren, über meinen RSS-Reader und über meine sozialen Kanäle. Einige Services basieren weiter auf E-Mail, jedoch konsolidieren sie Informationen, so dass ich einige Newsletter einsparen kann.
Geht mir nun etwas dadurch durch die Lappen, dass ich mich auf diese Kanäle konzentriere und die Newsletter und Werbemails abbestelle? Ich habe nicht den Eindruck. Sicher liefern mir Google Alerts und der RSS Reader nur die Informationen, die ich als Suchbegriffe oder Fed abonniert habe, und lassen andere Stichworte außen vor. Relevants ist da vermeindlich intelligenter, denn der Service lernt aufgrund meiner Lesegewohnheiten und bietet mir auch mal durchaus überraschende, aber interessante Inhalte an. Hier greifen Analytics-Funktionen, die meine Interessen lernen und entsprechend reagieren. Solchen intelligente Mechanismen, ob man sie nun Social Analytics oder anders nennt, gehören meiner Ansicht nach auch die Zukunft auch in der Informationsbereitstellung.
Radikaler gestaltet noch mein Freund Lars Basche seinen Informationskonsum. Er vertritt die These, dass im Zeitalter der sozialen Medien Informationen auch ohne E-Mail Newsletter quasi automatisch zu ihm kommen, in seiner Timeline in den entsprechenden Medien auftauchen. Zu diesem radikaleren Ansatz habe ich mich noch nicht durchgerungen. Dies kennzeichnet jedoch auch den Paradigmen-Wechsel von Push (Die Information kommt zu mir) und Pull (Ich muss die Information abholen), von E-Mail zum Social Web. Allerdings finde ich die Definition etwas schwarz-weiss, denn natürlich kommen Informationen auch im RSS Reader und in der Timeline zu mir. Lediglich der Akt, statt in den E-Mail Posteingang in den Reader oder die Timeline zu schauen, ist ein anderer. Ein wirkliches Pull findet dann statt, wenn ich aktiv Informationen abhole.
Die Situation wird dann aus meiner Sicht komplexer, wenn ich den unternehmensinternen Informationsfluss betrachte. Auch hier – und nicht zuletzt hier – gibt es die E-Mail Newsletter und die Spam-Mails, die zum Beispiel Events promoten. Gerade in einer grossen Organisation wie der IBM kann man ein Lied davon singen und es ist oft ungleich schwerer, von E-Mail-Verteilern zu unsubscriben. Die unzähligen Newsletter nerven ebenso wie die in kurzen Intervallen eintreffenden Nachrichten, die die Mitarbeiter zu motivieren suchen, noch mehr Teilnehmer für ein bestimmtes Event zu gewinnen. Und oft erzielt dieses E-Mail-Bombardement genau den gegenteiligen Effekt. Ich zitiere einen Kollegen: “Ich kann doch nicht alles lesen, was von Marketing kommt.” Würde ich Empfangsbestätigungen verwenden, würde ich sicher feststellen, wie viele Kollegen eine Nachricht gar nicht oder ganz, ganz spät lesen.
Andererseits gibt es noch unzählige Kollegen, die fast ausschlißelich E-Mail als Kommunikations- und Informationskanal nutzen. Diese Kollegen haben eben keine RSS Feeds angelegt, lesen keine Timeline, müssen also per Mail informiert werden (Zumindest muss man versuchen, sie zu informieren). Sie sind noch nicht im Social Web mit seinen anderen Arten der Informationsbeschaffung und -verteilung angekommen. Ich verweise hier auf die Initiative21/DNS Infratest-Studie zur Digitalen Gesellschaft, die sicher auch für den Informationskonsum in Unternehmen valide ist.
Ich persönlich versuche, meine Arbeitsweise zu ändern. “Teilenswerte” oder “wertbeständige” Informationen stelle ich möglichst konsequent in unser internes auf IBM Connections basierende soziale Netzwerk ein. Das sind Dateien, interessante Lesezeichen (Bookmarks). Ich verfasse dort Blog- und Wikibeiträge, steuere Projekte über das Aktivitätenmodul von Connections, um eine bessere Transparenz zu erzielen, und ermuntere Kollegen, im sozialen Netz zu kommentieren und zu diskutieren. Jedoch nutze ich auch sehr stark die E-Mail-Benachrichtigungsfunktion von IBM Connections, um Kolleginnen und Kollegen auf diese Information aufmerksam zu machen und die Weiterbearbeitung transparent zu steuern. Und – Asche über meine Haupt – ich verschicke noch – wenn auch bewusst selten – E-Mail Newseltter, die aber direkt auf Beiträge im sozialen Unternehmensnetz verlinken.
Sicher ist das nicht der komplett Social Way of Life, aber ich empfinde es derzeit als einen gesunden Mittelweg, neue soziale Verhaltens- und Kommunikationsweisen zu leben und Kollegen anzutrainieren, dabei aber nicht die E-Mail-Generation zu verlieren. Vielleicht ist ein Verhaltenskodex, wie man in einer solchen Mischzeit arbeiten und teilen sollte, noch einen separaten Beitrag im Rahmen dieser Artikelserie wert. Und generell gilt natürlich frei nach Lou Reed: Hey babe take a walk on the social side, and the boss goes “doo doodoo…”
Dies ist mein zweites Posting zum Thema Zukunft von E-Mail. Ich werde mich mit weiteren Aspekten und Perspektiven rund um E-Mail auseinandersetzen.
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