Wie viel kann und sollte ich für meine Leistungen verlangen? Jeder IT-Spezialist, der sich selbstständig machen möchte, steht zu Beginn seiner Freiberuflichkeit unweigerlich vor dieser Frage – ob Berufsanfänger oder Profi mit jahrzehntelanger Berufserfahrung.
Die Preisfindung von Freiberuflern ist oft eine Mischung aus Bescheidenheit, Unwissenheit und dem Ignorieren von Kostenfaktoren. Dies führt von Beginn an zu einer Fehlkalkulation, die sich im Nachhinein nur schwer korrigieren lässt. Viele orientieren sich dabei zunächst an dem Jahresgehalt eines festangestellten Spezialisten mit vergleichbarem Qualifikationsprofil und in vergleichbarer Position. Das Jahressalär wird dann schlicht durch 365 Tage á acht Stunden geteilt, um auf einen anscheinend realistischen Stundensatz zu kommen. Doch so einfach ist es nicht. Denn die Stundensätze eines Freiberuflers müssen – anders als bei einem Festangestellten – auch Feiertage, Urlaubs- und Krankheitszeiten mit abdecken. Dadurch ergibt sich für die Berechnung eine völlig andere Stundenbasis. Zudem sollten bei dieser Vorgehensweise natürlich auch Zusatzkosten einkalkuliert werden, die bei einem Festangestellten der Arbeitgeber trägt. Viele unterschätzen die Kosten für Krankenversicherung oder die Altersabsicherung. Wenn dann am Ende ihres ersten Freiberufler-Jahres die Steuernachforderung ins Haus flattert, erleben sie oft eine böse Überraschung. Um diese und andere zu vermeiden, sollten Freelancer bei der Berechnung ihres Stundensatzes einige wichtige Punkte berücksichtigen.
Projektfreie Zeiten einkalkulieren
Auch der gefragteste Freiberufler erlebt projektfreie Zeiten, die es zu überbrücken gilt. Nur in seltenen Fällen schließt ein Projekt nahtlos an das andere an. Und als Freiberufler brauchen Sie diese freien Zeiten – um neue Projekte zu akquirieren, aber auch für Weiterbildungen und Zertifizierungen, die den Marktwert sichern und dazu beitragen, dass Sie auch zukünftig gut ausgelastet sind. Die projektfreien Zeiten haben bei der Stundensatzkalkulation eine doppelte Wirkung: Zum einen müssen Sie diese bei der Berechnung Ihrer realistisch erreichbaren Anzahl an abrechenbaren Stunden berücksichtigen, zum anderen sollte der Stundensatz so hoch angesetzt sein, dass Ihre Einnahmen die projektfreien Zeiten mitfinanzieren.
Alle Kosten im Blick haben
Neben der Zeit gehören noch zahlreiche andere Faktoren mit auf den Kalkulationsradar, etwa die Kosten für Weiterbildung, Zertifizierungen und Versicherungen, laufende Investitionen in die Ausstattung, das Geschäftsfahrzeug, die Miete für eventuelle Büroräume sowie Reisekosten. Diese können je nach Einsatzort stark variieren – München beispielsweise ist teurer als Ostfriesland. Auch das gilt es zu beachten.
Gewinnspanne: Was brauche ich und was gibt der Markt her?
Haben Sie als Freiberufler alle Zeit- und Kostenfaktoren mit einberechnet, so arbeiten Sie kostendeckend. Im nächsten Schritt gilt es, die Gewinnspanne festzulegen. Hier liegt der variable Teil Ihres Stundensatzes. Die Höhe der Gewinnspanne orientiert sich an zwei Dingen: dem eigenen Bedarf und der Marktsituation. Wieviel brauchen Sie, um Ihren gewohnten Lebensstandard zu halten oder zu verbessern? Und was gibt der Markt realistisch her? Einerseits hat die aktuelle Wirtschaftslage meist einen unmittelbaren Einfluss auf die Investitionsfreude der Unternehmen, andererseits befinden Sie sich natürlich im Wettbewerb mit anderen, die gleiche oder ähnliche Leistungen anbieten.
Oberstes Gebot muss stets sein: Mit Ihrem Stundensatz müssen Sie kostendeckend arbeiten und sich ausreichend absichern können. Einziger Verhandlungsspielraum ist also die Gewinnspanne. Diese – und nur diese – darf und wird im Laufe Ihrer Zeit als Freiberufler je nach Marktsituation variieren.