silicon.de-Blogger Heinz Paul Bonn hat Parallelen zwischen Steve Ballmer und dem antiken Supermann Herkules entdeckt. Im Alleingang versuche er derzeit den Windows-Karren aus dem Dreck zu ziehen – das Verhältnis zu den OEM-Partner wird gleichzeitig zum Balance-Akt.
Es ist nicht verbürgt, dass Herkules zu den Vorbildern von Steve Ballmer gehört – obwohl seine physische Präsenz den Microsoft-CEO durchaus in die Nähe des mythologischen Heroen ziehen sollte. Bei dem Versuch jedenfalls, den Microsoft-Karren aus dem Dreck zu ziehen, scheint sich Ballmer an den Rat des antiken Supermanns zu halten: Greife erst selbst in die Speichen und treibe den Ochsen an, ehe du die Götter um Hilfe anflehst. Denn dem Mutigen helfen die Götter!
Ballmers Griff in die Speichen soll den Windows-Karren an die Oberfläche – sprich: Surface – zurückholen und die nächste gewonnene Dekade der “Windows-8-auf-jeder-Plattform-Ära” einläuten. Dazu griff Ballmer in und um Toronto zu einem ganz besonderen Hebel, mit dem er die bisherige Welt aus den Angeln zu heben versucht: Microsoft steigt mit Surface selbst ins Hardware-Geschäft ein – und verprellt seine OEM-Partner.
Ob Acer, Hewlett-Packard oder Dell – die Hardware-Partner, die für immerhin 20 Prozent des Microsoft-Umsatzes im vergangenen Quartal stehen, haben schnell mit einem Kreidestrich markiert, wo für sie die Grenze des Akzeptablen im Zusammenspiel mit Microsoft liegt. “Microsoft sollte sich vom Hardware-Geschäft fern halten”, warnt beispielsweise Acer-Mitbegründer Stan Shih. HP hat sich dem Vernehmen nach aus Protest aus der gemeinsamen Windows-RT-Entwicklungsgruppe zurückgezogen und will sich künftig nur noch auf Intel-Basis engagieren. Ob hier eine Grundsatzentscheidung zur Kostensenkung gleichzeitig auch zum politischen Fanal stilisiert werden soll, sei mal dahingestellt.
Doch die Tiefschläge aus dem OEM-Bereich zeigen bei Ballmer Wirkung. Schon in einem Brief an die US-Regierung machte er deutlich, dass Surface nur ein Entwurf sei und dazu diene, für Windows 8 auch und vor allem auf Tablett-PCs zu werben. Ansonsten unterstütze man die Hardware-Hersteller wo immer möglich bei der Entwicklung von mobilen Endgeräten mit dem Windows-8-Betriebssystem.
In der Tat: Bislang hatten HP, Dell und Acer nicht unbedingt größte Eile an den Tag gelegt, um das Windows-8-Announcement mit eigenen Begleit-Produkten zu unterstützen. Zwar drängt Dell jetzt darauf, den durch HP freigegebenen Platz im WART-Markt (Windows auf ARM RT) einzunehmen. Gleichzeitig aber munkeln Marktbeobachter, die PC-Hersteller könnten in einer Art Trotzreaktion nun Mobilgeräte mit Android ausliefern. Dann wäre das exakte Gegenteil von dem erreicht, was Ballmers Hardware-Experiment erreichen sollte. Nämlich der Gewinn an Marktanteilen für Windows 8 im mobilen Sektor.
Oder hat Surface seine wichtigste Werbebotschaft bereits übermittelt? Surface bringt es doch an den Tag: Wenn Microsoft sich nicht um das Ecosystem rund um Windows 8 bemüht, wer sollte es dann sonst tun? Praktisch alle Hardware-Hersteller überdenken derzeit ihr Portfolio – wenn nicht sogar die gesamte Geschäftsstrategie. HP beispielsweise spekuliert weiterhin über den kompletten Ausstieg aus dem PC-Geschäft. Da käme der Streit mit Microsoft gerade Recht.
IBM hatte in den neunziger Jahren einen Grundsatz etabliert, der das Geschäft mit Partnern stressfrei gestalten sollte: Keine eigenen Engagements im Anwendungsbereich. Statt die Software vom System zur Application auszuweiten, setzte IBM eher auf Service – und ist heute so profitabel wie nie. Aber der Preis war die Aufgabe einer gemeinsamen Marktpräsenz von ISVs und IBM, die für den Mittelstand weltweit Tausend und eine Anwendung anbot und damit marktdominierend wurde.
Nicht weniger will Microsoft – am liebsten mit OEMs und ihrem klaren Bekenntnis zu Windows 8. Sicher eine Herkules-Aufgabe. Aber sonst bliebe ja nur: die Aufgabe.
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