Kommunikation ist der Schlüssel zum ERP-Erfolg, weiß Gartner-Analyst Christian Hestermann. Dieses Projekt-Marketing sollte möglichst professionell angegangen werden, damit alle Beteiligten im Boot sind.
Die Zahlen sind erschreckend: Viele größere ERP-Projekte “scheitern” oder dauern zumindest viel zu lang und werden viel teurer als geplant. Manche Veröffentlichung, etwa eine Langzeitstudie der Universität Oxford und McKinsey von 2012, spricht von massiven Budgetüberziehungen bei der Hälfte aller größeren IT-Projekte. Obwohl ERP-Initiativen seit vielen Jahren in unterschiedlichsten Unternehmen auf der Tagesordnung stehen, gibt es auch für sie keine Erfolgsgarantie, weder für die Einhaltung von Kosten- und Zeitrahmen, noch für den tatsächlichen Nutzen der Initiative.
Diese Missstände haben eine Unzahl von Gründen. Dazu gehören unklare Erwartungen an das Projekt, kaum Vorstellungen über die eigene Rolle im Projekt und danach, Unsicherheiten über die Folgen der Veränderungen, Wünsche nach lokalen Sonderlocken oder auch wenig Erfahrung mit unternehmensweitem Change Management.
Kommunikation nicht nebenbei betreiben
Vielen dieser Gründe kann und sollte mit guter Kommunikation begegnet werden. Frühzeitige Aufklärung, Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen, transparente Darstellung des Projektstatus und der nächsten Schritte, Offenheit für Anregungen und Ideen: Es gibt viel zu tun. All das sollte nicht als ungeliebte Zusatzaufgabe spät am Freitagabend durch unmotivierte oder unerfahrene Projektmitarbeiter/innen erledigt werden. Und es reicht auch nicht aus, regelmäßig einen Newsletter mit einem mehr oder weniger verständlichen Projektplan an einen unspezifischen Verteilerkreis zu verschicken. Ebenso wenig genügt eine Web-Seite im Intranet, durch die die Beteiligten sich bei Interesse ja wühlen könnten.
Denn wer nimmt sich schon die Zeit dazu?
Vielmehr sollte die gesamte Kommunikation professionell aufgezogen werden. Am besten können das Leute, die es gelernt haben und gerne tun. Sie wissen, wie man verschiedene Zielgruppen am effektivsten erreicht, und sind dadurch in der Lage, Erwartungen nicht nur im Nachhinein zu verwalten, sondern sie in erster Linie zu wecken und zu formen. Im Idealfall schaffen sie es, der gesamten Organisation Appetit auf die anstehenden Veränderungen zu machen und statt der Angst vor Neuem die Lust darauf zu wecken.
Professionelles Projektmarketing nach Maß
In großen Projekten sollte man sich nicht scheuen, dafür extra Leute ab- und einzustellen. Idealerweise stellt man dem Projektteam einen Chief Marketing Officer (CMO) und ein Kommunikationsteam zur Seite, die für alle Kommunikationsaufgaben bis hin zur regelmäßigen Präsentation vor Vorstand und “Steering Comitee” verantwortlich sind.
Mehr vom Team der deutschen Gartner-Analysten
Das Team der deutschen Gartner-Analysten bloggt für Sie auf silicon über alles, was die IT-Welt bewegt. Mit dabei sind Christian Hestermann, Frank Ridder, Bettina Tratz-Ryan, Christian Titze, Annette Zimmermann, Jörg Fritsch und Hanns Köhler-Krüner.
In kleineren Projekten oder personell weniger gut ausgestatteten Unternehmen wird man nicht zwingend zusätzliche Leute einstellen. Trotzdem gilt es, zumindest einige Teammitglieder zu identifizieren, zu motivieren und auszubilden, damit auch sie die anstehenden Aufgaben professionell erledigen können.
Dabei sollten sich Projektverantwortliche auch nicht davor scheuen, von erfolgreichen Software-Anbietern zu lernen. Diese geben nicht nur viel Geld für Werbung und Kommunikation aus.
Vor allem unterhalten sie auch Produktmanager, die den Anwendern zuhören, ihre Anregungen aufnehmen und die sinnvollsten zur Umsetzung empfehlen. Wer glaubt, dass das Projekt ja schon “verkauft” sei und keiner weiteren Werbung bedarf, täuscht sich gewaltig: Es drohen nicht nur Desinteresse, Ablehnung und mangelnde Akzeptanz, sondern auch das Abwandern in ineffiziente manuelle Umwege oder die Flucht in Software-as-a-Service-Lösungen.
Letztere werden von den Anbietern nur zu gerne als Alternativen zu den ungeliebten Kernapplikationen direkt an die Fachabteilungen verkauft und lassen dann dort die Schatten-IT wuchern.
Mit professioneller Kommunikation ist nur einer von vielen Erfolgsfaktoren realisiert. Es ist aber einer der wichtigsten und einer, der vor lauter Technik zu oft übersehen wird. Die direkten Kosteneinsparungen übersteigen die scheinbar notwendigen Zusatzausgaben oft um ein weites, und die oft langjährige Initiative liefert den erwarteten Nutzen.