Mit zunehmenden Nachdruck richtet sich SAP in Richtung Cloud Computing aus – für silicon.de-Blogger Ralf Paschen auch ein Anlass zu Sorge. Der Konzern solle sich aus Sicht der Partner weiter darauf konzentrieren, führende Unternehmenssoftware zu entwickeln, sagt Paschen und warnt vor der Gefahr, dass sich ein Weltkonzern verzettelt.
In der Vergangenheit empfanden viele Partner die Partnerstrategie von SAP als zentralistisch: Hier das alles überstrahlende Zentralgestirn, da die Trabanten, die ihre Lösungen über definierte Schnittstellen anbinden dürfen. Dieses Denken ist mittlerweile überholt, das hat das Management in Walldorf auch erkannt. Die Zukunft der SAP-Plattform liegt auf Zukunftsfeldern wie Cloud-Computing oder Big Data. Hier aber musste Co-CEO Bill McDermott neulich gegenüber Bloomberg einräumen, dass “Cloud-Know-how überhaupt nicht zu unserer DNA gehörte”. Die Cloud basiert auf offenen Standards und Schnittstellen, das Zeitalter geschlossener Softwaresysteme ist vorbei.
Die fehlende DNA sollte dann, um im Bild zu bleiben, durch Blutkonserven beigebracht werden: Zuerst wurde für einen Milliardenbetrag SuccessFactors hinzugekauft und deren CEO Lars Dalgaard als Chef einer neuen Cloud-Abteilung installiert. Es folgte die Akquisition des Business-Commerce-Spezialisten Ariba, wiederum für mehr als drei Milliarden Euro. In der gleichen Zeit hat der große Rivale Oracle ebenfalls enorme Summen für Zukäufe auf den Tisch gelegt. In der Branche redet man in Anspielung an “Krieg der Sterne” schon von den “Cloud Wars”. Wozu das Ganze?
Blaupause SuccessFactors
SuccessFactors dient quasi als Blaupause für die Cloud-Strategie: Durch die Integration der Lösung haben SAP-Kunden zukünftig die Wahl, entweder weiterhin die On-Premise-Lösung SAP ERP HCM oder SuccessFactors BizX in der Cloud zu nutzen. Die Idee dahinter: Bestandskunden erhalten eine zusätzliche Option, potenzielle Neukunden weitere gute Argumente pro Walldorf. Trotz der getätigten Zukäufe ist SAP aber immer noch auf ein funktionierendes und innovatives Partner-Ökosystem angewiesen, insbesondere im Bereich der systemübergreifenden IT-Prozessautomatisierung. Bill McDermott hat das mit folgender Äußerung sehr deutlich unterstrichen: “Partnering is not a choice for SAP. The choice has been made.” SAP hat keine Wahl, heißt das wohl übersetzt. Technologiepartner freuen sich, das zu hören…
Eine Kernkomponente in der SAP-Cloud-Strategie ist NetWeaver Landscape Virtualization Management (LVM), eine weitere Schlüsseltechnologie ist die In-Memory-Datenbank SAP HANA (High Performance Analytic Appliance), die auch die Basis der PaaS-Lösung (Platform as a Service) NetWeaver Cloud stellt. Bei der Verknüpfung hybrider Landschaften, Stichwort “Integration as as Service” oder IaaS, bietet SAP bereits einige separate Technologien zur Verbindung von On-Demand- und On-Premise-Modellen an und plant, weitere Cloud-basierte Integrationstechnologien anzubieten. An diesem Punkt stöhnt selbst die für Innovationen eigentlich offene DSAG auf und weist vorsorglich darauf hin, dass doch weiterhin ERP im Mittelpunkt stehen sollte. Der ehemalige DSAG-Vorsitzende Karl Liebstückel wird zitiert: “Neue Produkte und zugekaufte Lösungen sind ohne den ERP-Kern nicht lebensfähig.”
Eine Plattform zur Integration
Die von SAP forcierte Entwicklung in Richtung Cloud-Computing ist generell zu begrüßen, allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass die Cloud auf absehbare Zeit Inhouse-Rechenzentren nicht verdrängen, sondern ergänzen wird. Crawford Del Prete, Global Chief Research Officer von IDC, geht davon aus, dass wir auf Jahrzehnte in einer hybriden Welt leben werden. Ist ein Weltkonzern dabei, sich zu verzetteln? SAP sollte sich aus Sicht der Partner weiter darauf konzentrieren, führende Unternehmenssoftware zu entwickeln. In Zeiten heterogener und hybrider Systeme wird aber eine systemübergreifende Steuerung und Automatisierung einer Plattform immer wichtiger – und die kann nicht Aufgabe des Anbieters sein, der naturgemäß vor allem sein eigenes Produkt im Auge hat.
Geschäftsprozesse (und auch die abbildenden IT-Prozesse) machen heute nicht an Systemgrenzen Halt. Im Idealfall sollten nicht nur Anwendungen und Prozesse, sondern auch die heterogene Infrastruktur mit ein und derselben Plattform gesteuert werden. Das sehen übrigens nicht nur wir als Anbieter einer entsprechenden Lösung so, führende Analysten, unter anderem von Forrester Research und Gartner, bestätigen das. Anstatt weiterhin mit Einzellösungen einen Integrations-Flickenteppich zu knüpfen, könnte das Management in Walldorf seine Partnerstrategie im Bereich IT-Prozessautomatisierung ausbauen. Das würde die Cloud-Strategie unterstützen und wäre sicher im Interesse der Kunden.