Hassan Hosseini

ist Gründer von The-Industry-Analyst.com und getrieben von der Neugierde nach den technologischen Veränderungen in unserer Gesellschaft.

Microsofts ‘Digitale Transformation’ – oder: “Der Kunde ist König. Oder doch nicht?“

Was will der potentielle Cloud-Anwender von Microsoft? Das fragt sich Analyst und silicon.de-Blogger Hassan Hosseini. Dafür lässt er sich aktuelle Aussagen von Microsoft zu Cloud und Vertrauen noch einmal auf der Zunge zergehen.

Ende vergangener Woche ist noch die Pressemitteilung zur Deutschen Partnerkonferenz von Microsoft in meinem E-Mail-Postfach eingegangen, die in der Woche stattgefunden hat. Bei dieser Konferenz standen die Cloud und die damit verbundenen Geschäftsmodelle und Ertragschancen für die Microsoft-Partner im Vordergrund. In diesem Zusammenhang wurde – welch Wunder – festgestellt: “…wichtiger Aspekt sind hier Maßnahmen der Vertrauensbildung in die Cloud”.

Beim Lesen der Pressemitteilung denke ich wieder an die vorherige Woche. Microsoft hatte zu einem Analysten-Workshop mit dem Thema ‘Trusted Cloud: Chancen und Vertrauen in die Cloud’ geladen. Ich nahm aus zwei Gründen teil: Zum einen wollte ich mich auf den neuesten Stand in Bezug auf das Datenschutz-und -sicherheitsthema bringen. Zum anderen, und viel aktueller, interessierte mich Microsofts Stellungnahme zu den Aussagen von Deutschlandchef Christian Illek hinsichtlich eines deutschen Rechenzentrums.

Um es kurz zu machen: Microsofts Aktivitäten bei den Themen Datenschutz und -sicherheit ergaben nicht viel Neues, auch wenn Microsoft dies sowohl im Gespräch mit mir als auch auf seiner Partnerkonferenz gerne anders darstellt.

Microsofts Datenschutz-Bemühungen, und somit die EU-Standardvertragsklauseln beziehungsweise EU Model Clauses für Kunden von Cloud-Diensten, wurden im April dieses Jahres von den obersten EU-Datenschützern bestätigt.

Dabei dient hier die sogenannte Auftragsdatenverarbeitung als Lösungsansatz, die Rechtsanwalt Jan Schneider bereits in einem Vortrag 2011 in einfacher und klarer Weise erläuterte, und auf den ich gerne wieder verweise.

Außerdem fällt mir Hannes Oenning ein, Verantwortlicher für den Konzerndatenschutz bei der Bertelsmann AG, der damals bei einer Microsoft-Veranstaltung zu diesem Thema genau das aussprach, was ich in diesem Moment dachte: Microsoft liefere jetzt das, was er als Anbieter zur Verfügung stellen würde. Und dem ist auch heute nichts mehr
hinzuzufügen.

Die für mich spannendere Frage nach einem eigenen deutschen Microsoft-Rechenzentrum wurde an diesem Tag -wie nicht anders zu erwarten -mit “wir prüfen es derzeit” beantwortet. Das ist interessant, insbesondere wenn ich mir die Bekanntgabe von salesforce.com ansehe, die in Partnerschaft mit der Deutschen Telekom 2015 ein deutsches Rechenzentrum in Betrieb nehmen wird. Natürlich kann man einwenden, diese zwei Firmen wären aufgrund des unterschiedlichen Produktportfolios und der Vertriebsstruktur, insbesondere der Partnerlandschaft, nicht miteinander zu vergleichen.

Doch wenn ein Kunde einen Anbieter, der über ein (eigenes) deutsches Rechenzentrum verfügt, einem anderen vorzieht, der dies nicht
aufzuweisen vermag, dann ist das eben so. Ganz gleich, was dieses Unternehmen anbietet und wie es aufgestellt ist. Dabei spielt auch keine Rolle, ob die Standortfrage durch die bereits erwähnten EU-Standardvertragsklauseln und die Auftragsdatenverarbeitung gelöst wird oder ob
es ein eher emotional behaftetes Thema für den Kunden ist.

Microsoft konnte in den letzten Jahren viele Kunden für seine Cloud-Dienste gewinnen. So wie die anderen Anbieter in diesem Umfeld. Doch irgendwann werden sich die Anbieter die Frage stellen, wie man neue Kunden generieren kann. Und gerade bei den Cloud-Diensten ist und bleibt nun mal der Standort eines Rechenzentrums ein wichtiges Kriterium. Salesforce.com hat das verstanden.

Abgesehen davon vertrete ich seit Jahren die Meinung, dass man den Standort Deutschland nicht als Herausforderung sehen sollte, sondern als Vorteil. Der Anbieter, der (kritische) Kunden in Deutschland gewinnt, kann dies in anderen Ländern zu seinem Vorteil nutzen. Und ich würde
mich nicht wundern, wenn salesforce.com genau das kommendes Jahr tut.

Zurück zur Partnerkonferenz. In seiner Grundsatzrede sprach Illek davon, “die Anforderungen unserer Kunden an die digitale Transformation noch besser zu erkennen, zu verstehen und Lösungen dafür zu bieten”. Zweifelsohne fordern die Kunden ein deutsches Rechenzentrum. Es wäre denkbar, mithilfe der Partner eine Lösung anzubieten. Dies wäre sicher für einige Partner von Interesse. Doch ist das auch, was der Kunde will? Daher frage ich mich: “Der Kunde ist König. Oder doch nicht?“

Dieser Artikel ist auch im Englischen auf The-Industry-Analyst.com erschienen.

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