Ved Sen

Nicht nur Bares ist Wahres

silicon.de hat mit Ved Sen einen neuen Blogger gewonnen. Sein Thema heute ist Mobile Payment. Sen lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er Mobile Payment für eines der nächsten großen Themen hält. Voraussetzung ist allerdings, dass das Gesamtpaket stimmt. Zudem sieht er die altbackene Hausbank als einen wichtigen Player.

Eine aktuelle Studie von TNS Infratest macht deutlich, dass die Verbraucher und Einzelhändler hierzulande bereit für Mobile Payment sind. Das Potenzial der Mobile Payment Services wie Square, Payeleven oder Yapital, die voraussichtlich dieses Jahr den deutschen Markt erreichen werden, ist daher entsprechend hoch.  Insgesamt könnten zukünftig bis zu zehn Prozent der Transaktionen mithilfe mobiler Bezahlverfahren durchgeführt werden.

Angesichts des unglaublichen Booms der Smartphones und Tablets ist es nur konsequent, dass in Kürze auch das seit langem beschworene Mobile Payment Fahrt aufnimmt. Neben Geldbörse und Schlüssel ist das Handy der Gegenstand, den der Verbraucher heute permanent bei sich führt. Um die Dinge in seiner Jackentasche zu vereinfachen ist ihm das Smartphone eine unschätzbare Hilfe. Mit ihm wird er in Zukunft so lästige kleine Aufgaben wie das Bezahlen im Restaurant, im Taxi oder für den Snack im Stadion sehr viel simpler und schneller tätigen können – einfach indem er einen Barcode scannt, anstatt umständlich nach Kleingeld zu kramen. Damit spart er viel Zeit, die er für Sinnvolleres nutzen kann. Laut IE Market Research werden die globalen Mobile-Payment-Umsätze bis 2016 auf 998.5 Milliarden US-Dollar anwachsen.

Die Voraussetzungen sind gut – jetzt gilt es, die Aufmerksamkeit für das Thema unter den Verbrauchern hoch zu halten und ihm nachhaltig die Vorteile vor Augen zu führen. Vor allem aber gilt es, eine allgemein akzeptierte Plattform dafür zu schaffen. Allerdings steht der Markt hier vor dem klassischen “Henne-oder-Ei-Problem”: Die Händler zögern mit der flächendeckenden Einführung eines neuen Systems, solange sie nicht wissen, ob die Verbraucher es auch annehmen werden. Und um das zu erfahren, muss es zunächst verfügbar sein.

Aus Sicht der Verbraucher muss Mobile Payment einfach zu bedienen und sicher sein, die Vertraulichkeit von Daten garantieren und am besten auch “smarte” Zusatzfunktionen bieten – wie Erinnerungen, Preisvergleiche oder Peer-to-Peer-Transaktionen. Zudem muss das System flächendeckend und grenzüberschreitend verfügbar und akzeptiert sein und dem mobilen Zeitgeist voll entsprechen. Wie das aussehen könnte, das hat beispielsweise Starbucks mit seiner Starbucks Card Mobile Payment gezeigt, bei der die Café-Besucher einfach nur ihr Smartphone-Display an der Kasse scannen lassen und dafür Bonuspunkte sammeln können. Es wäre allerdings für den Verbraucher nicht besonders sinnvoll, verschiedene Systeme für jedes Geschäft zu verwenden. Das wäre nicht nur unpraktisch, er würde auch Gefahr laufen, jeglichen Überblick über seine Ausgaben zu verlieren.

Ein wichtiger Faktor dabei sind auch die Händler, die das System in ihren Ladengeschäften, Kiosken, Verkaufsstellen und Automaten einführen sollen. Das werden sie aber erst tun, wenn die Lösung auch für sie einfach zu installieren ist und keine bzw. geringe, sprich vertretbare Transaktionsgebühren damit verbunden sind. Derzeit hat sich die übliche Gebühr etwa bei 2,75 Prozent eingependelt. Ein Anreiz wird auch für sie in den „smarten“ Funktionen liegen, die das Einkauferlebnis intensivieren.

Kerngeschäft der Banken

Wer aber wird ihnen diese Lösung liefern? Infrage kommen an dieser Stelle sehr viele Kandidaten: In erster Linie betrifft Mobile Payment das Kerngeschäft der Banken. Doch die Mitbewerber sind zahlreich und drängen aus unterschiedlichen Branchen in die Arena. Zu ihnen zählen Mobilfunkanbieter, Gerätehersteller, E-Commerce-Player, alternative Bezahldienste und Softwarehersteller.

Trotz des Wettbewerbs haben die Banken die besten Chancen, vom Mobile Payment-Trend zu profitieren. Zwar haben viele Institutionen im Zuge der Finanzkrise an Vertrauen beim Endkunden eingebüßt. Dennoch ist die Hausbank die bevorzugte Anlaufstelle, wenn es um die persönlichen Geldangelegenheiten geht. Nicht selten halten diese Kundenbeziehungen ein Leben lang.

Allerdings besteht die Gefahr, dass dieser Vorsprung durch aggressiveres Marketing und neue „coole“ Angebote der Mitbewerber egalisiert wird. Wer sagt, dass der Millennium-Generation nicht lieber via eine Apple-, Google- oder Amazon-Bank bezahlen wird? Zwar mögen auch hier noch die Banken im Hintergrund stehen, jedoch marginalisiert als bloße Geld-Depots. Auf diese Gefahr hat beispielsweise Toni Virdi in einem Post auf dem Blog der Huffpost Tech hingewiesen.

Um schnell von ihren Vorteilen – etwa ihre Sicherheitsexpertise, ihre loyale Kundenstamm – profitieren zu können, müssen die Banken jetzt die Weichen stellen. Einer der wichtigsten Schritte betrifft das Thema Partnerschaften. Bislang tendieren die Banken dazu, ihr Geschäft streng abzuschotten. Jedoch, angesichts der vielen verschiedenen Parteien, die in den mobilen Payment-Zyklus involviert sind, haben Solisten wenig Aussicht auf Erfolg. Das betrifft auch die Banken. Sie müssen jetzt eine klare Strategie schmieden, welche der Player sie zu ihren Partnern machen wollen und welche Wettbewerber bleiben. Das Beispiel Google Wallet und Isis zeigt, was der Markt erwarten darf. Partnerschaften wie diese demonstrieren einen probaten Weg, wie Banken in Sachen Payment ihre prominente Stellung behaupten können – ohne in die angesprochene Marginalisierung zu driften.

Partnerschaften alleine  machen noch keine schlagfähige Mobile-Payment-Strategie aus, dazu sind auch Technologie-Investitionen nötig. Vor allem müssen Banken eine Schnittstelle zwischen ihren Legacy-Systemen und ihrem Mobil-Betrieb schaffen. Das erfordert Investitionen in Datenmanagement, Sicherheit, Applikationsentwicklung und andere. Banken werden hier mit einem Backbone arbeiten müssen, der standardisierte Verarbeitungen ermöglicht und mit verschiedenen Payment-Plattformen zusammenarbeitet. Auch Datenschutz und Sicherheit müssen hier mit oberster Priorität bedacht werden. Dazu zählen etwa Investitionen in zuverlässige Security-Plattformen und mehrschichtige Authentifizierungsprotokolle.

Kundendaten in echtes Wissen verwandeln

Partnerschaften und Technologieinvestitionen sind jedoch lediglich das Fundament. Erfolg werden die Banken nur haben, wenn sie ihren Aktivposten – Kundenvertrauen, Sicherheit – Mehrwerte hinzufügen können. Dazu zählt nicht nur die einfache, sichere und bequeme Nutzung des Services, sondern auch “smarte” Zusatzfunktionen, wie etwa ein Überblick über Kontenbewegungen in Echtzeit oder ähnliches. Eine große Rolle werden hier auch Analyse- und Big Data-Technologien spielen, mit deren Hilfe Banken ihre Kundendaten in echtes Wissen zu den wahren Kundenbedürfnissen verwandeln können. Das ebnet den Weg zu innovativen, kundenspezifischen Angeboten – idealerweise direkt auf das Mobilgerät, noch während der Transaktion.

Allerdings sollte man hier nicht außer Acht lassen, dass Kunden sehr sensibel auf den Umgang mit ihren Daten reagieren. Die auf Analysen bauenden Angebote müssen zeigen, dass es hier wirklich um die Anliegen des Kunden geht. Gewinnen die Konsumenten den Eindruck, dass ihre Daten für reine Verkaufszwecke genutzt werden, kann der Schuss nach hinten losgehen. Am besten orientieren sich die Banken dabei an den Gedanken, die Philip Clarke, CEO von Tesco, unlängst auf einer Konferenz  gehört hat: Add Love to Data.

Und last but not least,  Mobile Payment eröffnet Banken Möglichkeiten, ihre Kundenbindung zu verbessern. Damit es jedoch dazu kommt, müssen die Kunden erfahren, welche Vorteile ihnen durch Mobile-Payment entstehen. Diese Überzeugungsarbeit müssen Banken durch gezielte Kampagnen leisten. Dazu sollten sie sich auch verstärkt auf die Kanäle begeben, auf denen ihre jungen Kunden zu finden sein werden, also auf Facebook, Twitter und Co.

Wenn Banken in diesen Handlungsfeldern aktiv werden, sollte es ihnen gelingen, in Sachen Mobile-Payment an der Spitze mitzumarschieren. Allerdings sollten sie sich beeilen – die Reise hat schon begonnen.