Mit Eindrücken von der German Silicon Valley Week im Gepäck wagt silicon.de-Blogger Heinz Paul Bonn den Vergleich zwischen den Gründungen im Valley und in Deutschland. Denn Aufbruchstimmung braucht nicht unbedingt die Hitze Kaliforniens. Dennoch kann man sich hierzulande einiges von dem großen Vorbildern abschauen.
Nachrichten über stürmische Aufschwünge bei Internet-Startups erzeugen ja immer noch eine kurze Panikattacke aus der Erinnerung an die plötzlich geplatzte Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende. Aber wenn wir was gelernt haben aus dieser Zeit des Wild Wide Web, dann das: Bei neuen Geschäftsideen achten Investoren heute mehr auf Substanz als auf Brillanz. Und sie stellen sicher, dass die Gründer genügend Managementpraxis und eine profunde Kenntnis von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen haben.
Trotzdem wurde das Geschäftsmodell der “Shareconomy”, wo Mehr erst durch Teilen entsteht, lange Zeit argwöhnisch beäugt. Doch inzwischen gehört Teilen zu den Beschleunigern unter den Wachstumsmodellen. Und wie: 17 Startups identifizierten jetzt die Analysten von VBProfiles, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Das älteste, eBay, durchbrach bereits 1998, drei Jahre nach Gründung, die Milliardengrenze, überlebte gestärkt die Dotcom-Krise und wird heute mit mehr als 71 Milliarden Dollar bewertet. Der Taxi-Konkurrent Uber ist seit 2013 (ebenfalls nach drei Jahren) mehr als eine Milliarde Dollar wert (inzwischen 40 Milliarden) und Wohnraum-Vermieter Airbnb schaffte den Durchbruch 2011 – heutiger Marktwert: zehn Milliarden Dollar.
Alle drei Karrieren stützen den Mythos vom ewig erfolgreichen “Silicon Valley Dweller”, der nur ein paar Investoren für seine Ideen gewinnen muss, ehe er mit seinem Startup durchs Dach schießt. Dass dieser Mythos ebenso wahr wie falsch ist, erlebten jetzt die Teilnehmer der hochkarätig besetzten German Silicon Valley Week, in der der deutsche Startup-Verband Jungunternehmer und Politiker mit Gründern, Weltunternehmen, Investoren und Managementgurus im Tal der unbegrenzten Möglichkeiten zusammenbrachte.
Für Wirtschaft und Politik gleichermaßen interessant ist es zu sehen, wie Investoren, Mentoren und Inkubatoren im Valley in einer “Shared Economy” zusammenarbeiten, um immer neue Firmengründungen mit einer schnellen Exit-Strategie und damit einer attraktiven Rendite für die Geld- und Ratgeber auf den Weg zu bringen. Der Marktführer dort, Y Combinator beispielsweise, hat derzeit Aktienanteile an Startups mit einem Gesamtvolumen von 14 Milliarden Dollar unter Vertrag.
Es sind vor allem die handfesten Stützungsmaßnahmen, die die Jungunternehmer in Begleitung der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries, motivierten.Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt beispielsweise seit fast vier Jahren deutsche Startups beim Auftritt auf dem US Markt. “500 startups” zeigte den Besuchern auf, wie sie die erste und zweite Finanzierungsrunde organisieren. Wie sehr der Startup-Markt gegenwärtig aufgeheizt ist, machte “E Venture” deutlich, die knapp eine Milliarde Dollar an Gründergeldern managen. Dort rechnet man mit einer baldigen Marktkorrektur und zielt deshalb weniger auf schnelle Exit-Strategien als auf langfristige Strukturen. Auch Ernst&Young setzen mit ihrer auf Beratung ausgelegten Gründerinitiative vor allem auf eine langfristige Planung.
Im deutlichen Gegensatz dazu stehen die zum Teil vollmundigen, wenn nicht vorlauten Lebensäußerungen vieler Jung-Entrepreneure, die wir besuchten. Sie wirkten oftmals übertrieben selbstbewusst, ja geradezu naiv. Aber unter der Sonne Kaliforniens hält sich eine sagenhafte Unbeschwertheit, die sich auch dadurch nährt, dass gescheiterte Gründer immer noch einen Top-Job bei jenen erhalten, die durchgekommen sind. Denn – auch das wurde deutlich – trotz eines schier unerschöpflichen Nachschubs an IT-Einsteigern herrscht im Silicon Valley ebenso Mitarbeitermangel wie in Berlin, München oder Hamburg.
Dabei geht es nicht darum, die überhitzte Atmosphäre des Silicon Valleys nach Deutschland zu holen. In vielen Diskussionen am Rande der German Silicon Valley Week wurde vielmehr deutlich, dass ein “deutscher Weg zu mehr Gründergeist” keine Kopie des US Way of Life sein muss. Gerade Unternehmen wie die Deutsche Bank, die künftig jährlich bis zu 500 Geschäftsideen von Startups testen will, oder die Labs von SAP, in denen weltweit nach vielversprechenden Partnern gesucht wird, zeigen, dass sich die deutsche Starthilfe für Firmengründer längst formiert hat.
Dabei ist die Startup-Szene selbst eine “Shareconomy”. Informationen über Gründungsverhalten, Starthilfen, Investoren und Technologien wurden freimütig geteilt in dieser Woche der Valley-Wallfahrt. Es gibt gute Gründe fürs Gründen, das erkennen auch hierzulande immer mehr Investoren. Die neu aufgelegten Angebote zum Beispiel der KfW-Bank zeigen deutlich, dass Aufbruchsstimmung in Deutschland aufkommt. Statt “Scher dich zum Teufel” heißt es bei Bankern immer häufiger: “Share dich zum Glück”.