Bernd Hilgenberg

nimmt für unseren Blog immer wieder aktuelle IT-Trends unter die Lupe und testet, wie tauglich diese für den CIO-Alltag sind.

Verbunden – vernetzt – verzettelt?

Ein Erfahrungsbericht von silicon.de-Blogger Bernd Hilgenberg über den Umgang mit sozialen Netzwerken und den damit verbundenen Tücken.

Kurz nach dem Start von Google+ erhielt ich eine Einladung diesem Netzwerk beizutreten. Was war ich stolz noch während der Betaphase zu den privilegierten Nutzern dieser geschlossenen Nutzergruppe zu hören. Meine Erwartungshaltung an diesen neuen Dienst war sehr groß. Habe ich doch schon seit längerem fast meine gesamte private Infrastruktur auf Google umgestellt. Vor diesem Hintergrund war es konsequent, auch noch das soziale Netzwerk von Google mit zu benutzen. Google ist ja bekannt durch die gute Integration seiner angebotenen Dienste in das Google-Ökosystem.

Nach dem Akzeptieren der Einladung konnte ich direkt beginnen. Mein Google+ -Account war jungfräulich und musste nur noch mit Inhalt gefüllt werden. Soziale Netzwerke leben ja von zwei Dingen – Kontakten und Content. Damit der Content auch eine gewisse Reichweite erzielt, müssen zuerst die Kontakte her. Die Frage war nun, wie ich am einfachsten und am schnellsten meinen Google+ -Account aufbaue. Auf das interne Adressbuch von Google zuzugreifen, lohnt sich nicht. Ich pflege meine Adressen nicht bei Google. Hierfür sind mein Vorbehalte noch zu groß. Also das funktionierte schon einmal nicht.

Der nächste Versuch war, die gesamte Liste aller Freunde aus Facebook nach Google+ zu exportieren. Achja, ich hatte vergessen, dass Facebook nur beim Sammeln von Daten grenzenlos großzügig ist. Export von Daten ist nicht vorgesehen. Das Adressbuch von Xing zu nutzen – obwohl das exportierbar war – bot sich nicht an, da ich Google+ nur privat nutzen wollte. Also begann der mühsame Aufbau eines neuen sozialen Netzwerkes.

Als erstes wurden die “üblichen Verdächtigen” den Kreisen hinzugefügt bzw. nach Google+ eingeladen. Jetzt begann die Arbeit erst richtig. Wie organisiere ich meine Kreise richtig? Praxisleitfaden – Fehlanzeige. Auch war mir zu Beginn nicht klar, ob das Gegenüber sieht, in welchen Kreis es eingeordnet worden ist. Nichts wäre peinlicher als öffentlich kund zu tun, das ein Kontakt bei “nicht so wichtig” oder ein gefühlt dicker Kumpel bei “entfernter Bekannter” einsortiert worden ist.

Also begann bei Google+ der gleiche “Leidensweg” wie bei Facebook. Die Einarbeitung. Der Aufwand, der zu treiben ist, sich in einem sozialen Netzwerk zurecht zu finden, ist weder bei Facebook noch bei Google+ zu unterschätzen. Beide Plattformen werben zwar mit einfacher Bedienung. Jedoch sind bei den Grundeinstellungen beider Anbieter alle Schleusen auf offen gestellt, d. h. grundsätzlich wird alles gespeichert und alles allen mitgeteilt. Damit dies nicht zu ungewollten Datenverbreitungen führt, ist jeder angehalten sich intensiv mit den Sicherheitseinstellungen zu beschäftigen. Facebook ist hier ein Beispiel wie eine verwirrende Benutzereinstellung dazu führt, dass wichtige Einstellungen nicht gefunden oder schlicht übersehen werden. Google+ ist da nicht besser nur anders.

Der Aufwand sich in Facebook und Google+ einzuarbeiten ist zu vergleichen mit dem Lernen einer neuen Programmiersprache. Beherrscht man eine Programmiersprache, sind die grundsätzlichen Konstrukte, die eine Programmiersprache beinhaltet, klar. Beim Lernen einer neuen Programmiersprache muss man dann nicht wieder bei Null anfangen. Allerdings ist die Nutzung einer neuen Programmiersprache ohne intensives Studium nicht möglich. Für mich stellte es sich so dar, dass ich die Sprache Google+ lernen musste. Damit ergeben sich für mich als Nutzer von Google+ gleich vier Herausforderungen. Als erstes müssen – meist manuell – Kontakte aufgebaut werden. Dann muss die Bedienung und die Nutzung der Einstellungsmöglichkeiten wieder neu gelernt werden. Des Weiteren muss Content, der über die Grenzen des sozialen Netzwerke hinaus verbreitet werden soll (z. B. bei Facebook) per Copy&Paste in die anderen sozialen Netze kopiert werden. Als letztes möchte man auch noch die unterschiedlichen Netzwerke synchron halten. Das ist mit gleich viel Arbeit verbunden, wie zwei nicht vernetzte Rechner ständig auf dem gleichen Stand zu halten.

Leider – so musste ich feststellen, haben sich Facebook und Google+ innerhalb kürzester Zeit bei mir auseinander entwickelt. Freunde von Facebook sind nicht bei Google+ und wollen auch nicht dahin. Google+ -Kontakte sind nur bei Google+ und nicht bei Facebook. Damit habe ich nun zwei soziale Netze, die parallel gepflegt werden wollen.

Sehr viel entspannter läuft parallele Pflege von Business-Netzwerken. Ich bin Xing-Nutzer der ersten Stunde (damals noch openBC). Diese Plattform zeichnet sich durch eine klare und einfache Benutzung aus. Die Integration in Outlook ist einfach zu realisieren. Ich muss keine Sorge haben, dass die Plattform sich durch die Integration in Outlook direkt in das gesamte Adressbuch der Firma einklinkt und Einladungen an alle Teilnehmer verschickt.

Seit zwei Monaten bin ich neben Xing auch bei LinkedIN. Eigentlich eine vergleichbare Situation wie bei Facebook und Google+. Der Übergang war nur wesentlich einfacher. Kontaktliste bei Xing exportiert – Einlesen bei LinkedIN – ankreuzen, an wen Einladungen verschickt werden sollen – fertig. Der Aufbau eines Netzwerkes bei LinkedIn hat nur den Bruchteil des Aufwandes gekostet wie bei Google+. Zudem ergänzen sich diese beiden Netzwerke. Google+ und Facebook überschneiden sich nach meiner Auffassung sehr stark.

Rein arithmetisch bin ich jetzt bei fünf sozialen Netzwerken vertreten – Xing, LinkedIN für Business-Kontakte, Facebook und Google+. Twittern, das mache ich ja auch schon seit ein paar Jahren. Eins hab ich noch vergessen, ich bin ja auch noch bei SecondLife – kann sich daran noch jemand erinnern?

Allein diese Aufstellung zeigt, das Interesse hin oder her, dass diese Anzahl von sozialen Netzwerken nicht konsequent zu pflegen ist. Meine ganz persönliche Priorisierung hat gezeigt, dass Google+ so wie SecondLife auf meiner Prioritätenliste ganz hinten gelandet ist. (Ich bin also für den 60-prozentigen Rückgang der Postings bei Google+ mitverantwortlich.)

Bislang konnte ich bei Google+ im Verhältnis zu Facebook noch keinen echten Mehrwert für mich ausmachen. Ich kenne mich jetzt leidlich in Facebook aus und möchte mich der Mühe einer weiteren kompletten Einarbeitung nicht ein weiteres Mal unterziehen; inklusive der Hypothek sich in diesem dynamische Markt ständig auf dem Laufenden zu halten. Darin sehe ich auch den Grund für den Rückgang der Postings bei Google+. Der Reiz des Neuen ist verflogen und viele Nutzer machen die gleichen Erfahrungen wie ich. Der Aufwand in mehreren sozialen Netzen aktiv zu sein ist einfach zu hoch.

Für mich wird der Weg daher zukünftig in Richtung einer weiteren Fokussierung gehen, d. h. weiter reduzieren. Sicherlich werde ich neue Dinge weiterhin ausprobieren. Doch für ein dauerhaftes Engagement muss sich der Aufwand auch lohnen. Das Stichwort heißt hier Mehrwert. Die jetzt notwendige doppelte Pflege unterschiedlicher sozialer Netze kann nur eine Übergangslösung sein.

Meine Vision für die Zukunft ist die Möglichkeit, sich eine Identität im Netz aufzubauen, die unabhängig von den Betreibern sozialer Netzwerke ist. Auf diese Weise könnten Kontakte an einem zentralen Ort gepflegt werden. Nachrichten könnten dann einmal erfasst und auf den jeweiligen Netzwerken verbreitet werden.



  1. Second Life
    Ich werde wohl nie ganz verstehen warum Second Life immer in einem Atemzug mit Facebook genannt wird. Second Life ist eine ganz andere Baustelle und so gut wie keiner nutzt es für First Life Kontakte, obwohl Second Life seit kurzem sein eigenes soziales Netzwerk hat (https://my.secondlife.com). Die offizielle Umschreibung für Second Life ist “Shared Creativity Tool”. Es lohnt sich jedenfalls Second Life nicht ganz aus den Augen zu lassen. Gerade heute ist der legendäre Will Wright (Sim City, Spore, The Sims) dem Board of Directors beigetreten. Jeden Tag verzeichnet SL 20.000 neue User und viel neues steht auf der Agenda, wie eine komplett neue Welt die sich an Facebook und Tabletnutzer richtet.

  2. Umgang mit mehreren Netzwerken
    Anmerkung hier in Deutschland haben wir noch die VZ-Netzwerke wo zwar nichts mehr los ist aber man ja immer noch angemeldet ist, man will ja auch nichts verpassen.
    Neuere Handys bieten die Funktion einen Post in mehren Netzwerken gleichzeitig zu Posten. Tulalips/Socl.com (ein merkwürdiges Microsoft Projekt) scheint sich damit zu beschäftigen Konten in mehren Netzwerken gleichzeitig zu Pflegen.