Heinrich Welter

ist Vice President Sales und General Manager für die DACH-Region bei Genesys Telecommunications Laboratories.

Was veraltete Call-Center-Systeme die IT wirklich kosten

Wer Kunden nicht vergraulen will, sollte sie nicht in der Warteschleife hängen lassen, meint Heinrich Welter von Genesys im aktuellen silicon.de-Blog.

IT-Systeme für den Kundenservice wurden in der Vergangenheit vom Management vor allem als Kostenfaktor gesehen. Gleichzeitig fordern die Fachabteilungen von Marketing über den Vertrieb bis hin zum Service neue Funktionen für eine effizientere Kundenansprache, die sich jedoch mit Bestandssystemen nicht realisieren lassen. Denn häufig sind noch alte Contact-Center-Infrastrukturen im Einsatz, die eine Einbindung neuer APIs nicht unterstützen. Hinzu kommt, dass veraltete Infrastrukturen häufig unzuverlässig sind, öfter Ausfälle verursachen und dadurch IT-Ressourcen binden und Folgekosten in die Höhe treiben.

Der nächste Ausfall kommt bestimmt

IT-Experten, die für die Instandhaltung bestehender Legacy-Technologien verantwortlich sind, wissen nur zu gut, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls mit jedem Tag steigt. Dieses Risiko sollte auch bei dem C-Level-Management auf offene Ohren stoßen, da jeder Systemstillstand hohe Kosten verursacht: Kann ein Verkauf nicht abgewickelt werden, geht Umsatz verloren. Können Kunden den Kundenservice nicht erreichen, wird ein Gespräch aus technischen Gründen unterbrochen oder ein Anliegen nicht zeitnah bearbeitet, entsteht eine negative Service-Erfahrung.

Je nach Branche und Erwartungshaltung der Kunden, kann ein Ausfall daher mehr oder weniger schwerwiegende Folgen haben. Viele Kunden erwarten beispielsweise, dass ihre Bank oder ihre Versicherung jederzeit erreichbar sind. Besonders wichtig ist die Ausfallsicherheit bei kritischen Infrastrukturen, wie bei Stromversorgern oder Krankenhäusern: Hier droht nicht nur eine Abwanderung der Kunden zur Konkurrenz, sondern ein konkreter gesundheitlicher oder physischer Schaden.

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Darüber hinaus entstehen in der IT-Abteilung womöglich noch Kosten für Patches und den erforderlichen Support durch den Lösungsanbieter, weil Anwendungen im Einsatz sind, die nicht mehr unterstützt werden. Zudem können sich andere Projekte verzögern, wenn im Fehlerfall weitere Kollegen zur Unterstützung benötigt werden.

Einer unserer Kunden hatte berichtet, dass sein Unternehmen die Kosten eines einzigen Ausfalls unter Berücksichtigung aller Konsequenzen mit über einer halben Million US-Dollar (rund 425.000 Euro) veranschlagt. Damit liegt der Return on Investment (ROI) einer neuen Plattform auf der Hand. Dass dieser Kunde auf eine schnelle Implementierung einer modernen Lösung drängte, ist daher verständlich.

Die Kosten steigen mit der Zeit

Im Falle von überalterten Infrastrukturen sind instabile Systeme jedoch nicht das einzige Problem. IT-Verantwortliche müssen ständig Wartungsarbeiten durchführen und Aktualisierungen vornehmen. Für jeden neuen Kommunikationskanal und jede Anwendung, die in dieses Flickwerk integriert werden sollen, muss sich die IT-Abteilung neue Tricks und Umwege einfallen lassen. PBX (Private Branch Exchange – Telefonanlagen) und ACD (Automatic Call Distribution) basierte Plattformen für Call Center, in denen hauptsächlich Telefongespräche geführt wurden, sind für die Unterstützung von Omnichannel-Interaktionen mit Kunden schlicht nicht ausgelegt. Und schon gar nicht für die Interaktion mit Kunden, deren Erwartungen ständig steigen.

Deshalb setzen sowohl die Kunden als auch die Anwender in den Fachabteilungen die IT unter Druck, obwohl diese längst an die Leistungsgrenzen der vorhandenen Tools stößt. Und der Zeit- und Kostenaufwand für die Wartung und Pflege der veralteten Systeme steigt kontinuierlich weiter.

Die Leistungsgrenzen veralteter Lösungen

Fordern Verantwortliche im Kundenservice die Einbindung eines neuen Kanals für die Kundenkommunikation, geraten Unternehmen mit einer veralteten Infrastruktur oft in eine heikle Lage. Solange man jeden Kommunikationskanal für sich betrachtet, scheint alles in Ordnung zu sein. Doch wenn jeder Kanal als isolierte Insellösung implementiert ist, können sich Mitarbeiter im Kundenservice nur schwer einen Gesamtüberblick über alle Kanäle verschaffen. Die Daten zu den einzelnen Kanälen lassen sich nicht ohne Weiteres konsolidieren, sodass dieselben Aufgaben möglicherweise mehrfach bearbeitet werden.

Die IT-Abteilung muss darum nach unkonventionellen Wegen suchen, um inkompatible Lösungen doch irgendwie miteinander zu verknüpfen. Deshalb sind Effizienz und Qualität des Kundenservice sehr stark von der IT abhängig. Der Mangel an Flexibilität in der Infrastruktur führt auch dazu, dass Mitarbeiter der IT-Abteilung viel Zeit darauf verwenden müssen, all die kleinen Änderungen und Wartungsaufgaben zu erledigen, die keinen Aufschub dulden. Dadurch haben sie keine Zeit, als strategischer Partner der Fachabteilungen zu agieren.

Alle Kostenfaktoren berücksichtigen

Stellt man die Kosten einer weitergehenden Nutzung veralteter Contact Center Systeme den Kosten einer Umstellung auf eine neuere Plattform gegenüber, sollten sowohl materielle als auch immaterielle Kosten berücksichtigt werden.

Zu den materiellen Kosten gehören der Integrationsaufwand, Mitarbeiterschulungen, zusätzliches Personal, Wartungsarbeiten, Aktualisierungen, Lizenzgebühren, das Change Management und die alle drei bis fünf Jahre erforderliche Erneuerung von Hardware.

Die immateriellen Kosten sind oft nur schwer zu beziffern. Beispiele hierfür sind verpasste Effizienzsteigerungen, aber auch Risiken wie verzögerte Lieferungen oder nicht standardkonforme Software-Erweiterungen für die Integration neuer Funktionen. Und schließlich geht es auch darum, ob Mitarbeiter ihre Zeit, ihren Erfindergeist und Arbeitsaufwand in die Pflege einer veralteten Lösung oder in Innovation und Unternehmenswachstum investieren sollen.

Deshalb ist eine der wichtigsten Empfehlungen des 2017 veröffentlichten Gartner Reports ‚Critical Capabilities for Contact Center Infrastructure, Worldwide‘ die „Nutzung veralteter, sprachorientierter Umgebungen einzustellen und sich auf führende Lösungen von Contact-Center-Anbietern zu konzentrieren“.

Viele Anbieter haben spezielle Migrationsprogramme, die eine Modernisierung des Contact Centers vereinfacht. Unternehmen sind dann auch in der Lage, die verschiedenen Kommunikationskanäle in einem Ökosystem zusammenzuführen und zu orchestrieren.



Heinrich Welter ist seit 1. Juni 2016 bei Genesys Telecommunications Laboratories für die Leitung der Geschäfte in der DACH-Region verantwortlich. Welter war bereits von 2009 bis 2013 als Senior Director Strategic Sales bei Genesys. 2013 wechselte Welter als Leiter Vertrieb und Operations zu HFN Medien GmbH, wo er nach kurzer Zeit die Position des Sales Director DACH Nuance Enterprise Division & General Manager HFN übernahm. Vor 2009 hatte Welter die Position als Account Manager bei der im Mai 2006 von Genesys akquirierten VoiceGenie Technologies Inc. (Toronto, Kanada) inne, für die er seit 2002 das Europageschäft aufgebaut hatte. Davor war Heinrich Welter u.a. im Global Account Management bei Oracle und Vignette tätig. Neben langjähriger Vertriebserfahrung verfügt der Autor mehrerer Bücher auch über ein fundiertes technisches Hintergrundwissen.