Der prognostizierte Fachkräftemangel lässt Unternehmen immer wieder spekulieren, welche Aktivitäten sie zu einem interessanten Arbeitgeber machen könnten. Der am meisten diskutierte Ansatz ist aktuell: “Bring-your-own-Device” (BYOD). Silicon.de-Blogger Jörg Mecke ist der Auffassung, dass der Ansatz mittelfristig der Falsche ist.
“BYOD” ist genau so populär wie umstritten. Wer modern sein will, bietet es scheinbar zähneknirschend an. Der Nachweis der Vorteile bleibt nicht aus, ist allerdings immer nur auf dedizierte Einsatzszenarien beschränkt. Einen nachgewiesenen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen bei einem durchgängigen Ansatz über alle Mitarbeiter und für alle Client-Geräte (Smartphone, Tablet, Notebook) habe ich bei meinen Recherchen nicht gefunden. Vor kurzem erschien bei Forbes USA eine sehr nette Grafik mit den 10 Punkten, die wir an BYOD lieben und was uns daran Angst macht.
Man bemerkt schnell, auch anhand der provokativen Darstellung, wie gespalten die Meinung über BYOD ist. Für mich stellt sich zudem noch die Frage: Ist BYOD wirklich ein probates Mittel, um Mitarbeiter zu gewinnen? Gibt es wirklich Menschen, die das Setzen ihrer Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag tatsächlich davon abhängig machen, ob sie ihre privaten Geräte auch bei der Arbeit nutzen können? Letztendlich wird genau dieser Anspruch der jungen Generation, den so genannten “Digital Natives” zugesprochen.
Bei all meinen Gesprächen und Diskussion zu diesem Thema habe ich jedoch eine andere Erfahrung gemacht: Der Anspruch ist nicht, das private Gerät zu nutzen, sondern in einer Infrastruktur, die gefühlt nicht schlechter ist, als die private. Wer zu Hause Windows 7 nutzt, bei der Arbeit aber noch Windows 2000 (und diese Arbeitsplätze gibt es), wünscht sich die Vorteile einer zeitgemäßen IT-Umgebung.
Das haben bereits einige Unternehmen erkannt und nutzen Investitionen in die Infrastruktur auch, um sich als innovativer Arbeitgeber am Markt zu positionieren. Wer ein Smartphone dienstlich nutzen soll, bekommt es; wer ein Tablet benutzen soll, bekommt auch dies. Aktuelle Technologie ja, aber bitte standardisiert, damit der ebenso selbstverständliche Support gewährleistet werden kann. Denn welcher Helpdesk kennt sich schon mit jedem Gerät jedes Herstellers in jeder Generation aus? Und wer traut sich, die privaten Geräte zu standardisieren? Auch diesen Ansatz habe ich bei einem Energieversorger erlebt: “Liebe Mitarbeiter, bringt Eure Geräte mit, aber nur wenn sie ein bestimmtes Gerät sind.” So überzeugt man keine (potentiellen) Mitarbeiter, denn es gilt das alte deutsche Sprichwort “Wer die Musik bezahlt, darf auch bestimmen, was gespielt wird.”
Es gibt andere Anforderungen der Digital Natives, die irgendwo zwischen 20 und 40 Jahren alt sind. Anforderungen, die einfacher umzusetzen sind und die ebenso einen Trend ausmachen: Unzensierte Diskussionsplattformen im Unternehmen. Nicht einfach die viel diskutierte Nutzung von Facebook und ähnlichen Plattformen während der Arbeitszeit, sondern eine betriebsinterne oder arbeitsgruppenspezifische Diskussion, die das kreative Arbeiten an komplexen Umgebungen frei von Zeit und Raum ermöglicht.
Die technologischen Möglichkeiten gibt es schon, wenn auch noch versteckt. Mit den Akquisitionen beispielsweise von Microsoft (kaufte Yammer für 1,2 Milliarden US-Dollar) und Citrix (kaufte Podio zu einem nicht bekannt gegebenen Preis) wurde vielen Beobachtern klar: Solch eine Lösung kommt im Mainstream an und wird – über kurz oder lang – der Standard in unserer Arbeitswelt.
Denn für die Mitarbeiter der Zukunft ist bei allen Trends auch klar: Es gewinnt nur der, der Informationen teilt, der nimmt und gibt. Ein Expertenwissen wie vor 20 bis 30 Jahren, bei dem Menschen Angst hatten, Wissen zu verbreiten, um nicht entthront zu werden, wird nicht mehr geduldet – weder vom Arbeitgeber noch (und das ist ein starker Reiz) vom Team.
Darum bin ich der Überzeugung, dass es viel wichtiger ist, Zusammenarbeit technisch noch viel stärker zu unterstützen, anstatt krampfhaft die Individualisierung zu fördern. Denn letztendlich hängen das Wohl und Weh von Mitarbeiter und Unternehmen nicht davon ab, auf welchem Gerät die Arbeit zustande kam, sondern ob Menschen mit Kompetenz und Freude zusammenarbeiten und so exzellente Leistungen am Markt anbieten.
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