Silicon.de-Blogger Jörg Mecke findet, dass Gartner oft recht hat. Diesmal jedoch nicht: Das Thema Cloud Computing ist nach seiner Einschätzung noch nicht in den Einkaufsabteilungen angekommen.
“Gartner hat recht”, ist eine übliche Feststellung in meinen Präsentationen. Eine Aussage, auf die ich mich mit den Zuhörern in der Regel einigen kann und die oft Auftakt ist, um die neuesten Erkenntnisse des Analystenhauses zu diskutieren.
Vor einigen Tagen haben die Gartner-Analysten Carsten Casper, Christian Hestermann, Frank Ridder und Bettina Tratz-Ryan in diesem Forum mit “Das Ende der Sommerpause” die Trends für die nächste Zeit ausgerufen. Darin stimme ich ihnen zwar wie gewohnt in fast allen Punkten zu, erlebe aber an einer Stelle in der Praxis eine andere Situation: In den Einkaufsabteilungen ist das Thema Cloud Computing nämlich tatsächlich noch nicht angekommen und dort wird es meines Erachtens auch in Zukunft nicht aufgehoben sein.
Aktuell ist es nicht möglich die Anbieter und ihre Lösungen einfach zu vergleichen, wie es der Logik des Einkaufs entspräche, da sich sowohl der Weg als auch das Ziel der einzelnen Anbieter (noch) stark unterscheiden. Werden einzelne Applikationen per Software-as-a-Service bereitgestellt, mag der Vergleich noch mühelos möglich sein. Sobald man jedoch auf die Ebene der Infrastruktur geht, müssen sehr spezifische Fragen beantwortet werden. Und dies, also der Aufbau von Private-Cloud-Umgebungen, ist der häufigste Ansatz, der aktuell tatsächlich eingesetzt wird. Viele Analysten wie Saugatuck oder Forrester bestätigen diese Beobachtung. Die dafür relevante Mischung von Technologien und Abläufen zu identifizieren, kann eine Einkaufsabteilung nicht stemmen, dies ist eine Aufgabe für die Bedarfsträger und natürlich die IT-Abteilung.
Nun mag man einwerfen: Ach, die Bereitstellung von Speicher, Netzwerk und Servern ist doch kein Teufelswerk! Fürwahr, nur die Herausforderungen liegen hier im Detail und spätestens beim einheitlichen Management und der Abbildung von automatisierten Prozessen sind die Technologen und die Prozess-Designer gefragt! Sprechen wir vom Self-Service-Portal, dem Billing oder dem Identity-Management sind viele Abteilungen in einem Unternehmen gefragt, jedoch nur mittelbar der Einkauf.
“Zeit, dass sich was dreht”, sang vor wenigen Jahren Herbert Grönemeyer und meinte damit: Veränderung ist unabdingbar, um voranzukommen. Wir erleben derzeit in der IT nichts Geringeres als einen Paradigmenwechsel. Bereits die Desktop-Virtualisierung resultierte in einem Umdenken und führte bei manchen Unternehmen und Behörden zu Restrukturierungen, da gewohnte Aufgabenteilungen obsolet wurden. Cloud Computing wird auf diesem Weg noch weiter gehen und nichts wird bleiben wie es ist.
Auch wenn die ersten Awards für Cloud-Konzepte verteilt werden, es sind noch die kleinen, einfacheren Projekte. An die komplexeren Würfe trauen sich nur wenige: Einige wenige der Großen, die Kleinunternehmer und der kleine Mittelstand tun es, da deren Administratoren ihre Umgebungen immer schwerer beherrschen können und im Cloud Computing primär eine Entlastung sehen. Viel Beachtung vom Markt erhalten aktuell potentielle Kandidaten für die Community-Cloud: Konzern-Rechenzentren und Kommunale Datenzentralen. Sie kennen die Herausforderungen einer mandantenfähigen Infrastruktur und der Abrechnung von zentral bereitgestellten Leistungen. Zu selten wird aber auch hier noch die ganze Klaviatur der Möglichkeiten einer umfassenden Cloud-Infrastruktur ausgespielt. Mehr Flexibilität durch Provisionierung zum Beispiel, damit Anforderungen in Minuten oder Stunden erfüllt werden können, anstatt in Tagen, Wochen oder Monaten.
Somit, liebe und sehr geschätzte Blog-Kollegen aus dem Hause Gartner, ist Cloud Computing keine Frage des Einkaufs, sondern ein kultureller Wandel, der bei den Nutzern die gleiche Euphorie auslösen kann wie die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland: Zeit, dass sich was dreht. So wird es sein.