Und ein bisschen selbstkritisch. Dazu haben die ITler durchaus Grund. Schließlich gilt die alte Weisheit, dass es verschiedene Wege gibt sich zu ruinieren. Mit Computern geht es aber schnell und gründlich. Und insoweit stellt sich die Frage, was denn der Beitrag der IT zu den aktuellen Problemen der Welt ist.
Im negativen Sinne: IT liefert den Treibsatz um Vorgänge in immer größerem Maße zu virtualisieren. Während früher Schweinehälften nach einem Kaufvorgang physisch angeliefert wurden (was die Neigung sich mit dem Metier zu befassen, doch stark eingeschränkt hat), werden sie heute überwiegend virtuell gehandelt. Was dazu geführt hat, dass viel mehr Schweinehälften, Kakaosäcke und anderes im Handel sind, als es physisch je geben wird. Mit der Folge extremer Wellen und Ungleichgewichte.
Im negativen Sinne: IT beschleunigt und reduziert die Reaktionsspanne für Rückkoppelungen. Auch das zeigt sich in den Schwankungen der Börse. Aber zum Beispiel auch daran, wie schnell Nachrichten um die Welt laufen. Die Idee, aus Biomasse Treibstoff für unsere Autos zu machen, lief in einer solchen Geschwindigkeit um die Welt, dass bereits wenige Wochen nachdem die Idee ein bisschen Medienaufmerksamkeit in Europa bekam, bereits in Südostasien signifikante Flächen für den Anbau gerodet wurden.
Und wir leisten uns Versäumnisse. Man hält es ja kaum für möglich, aber in wesentlichen und in ihren Folgen einflussreichen Berechnungen von Wirtschaftswissenschaftlern über Zukunftsszenarien fehlt der Faktor Inflation. Das sei zu schwierig zu modellieren. Hier ist IT gefordert, besseres Werkzeug zu liefern. Ach ja, und bitte dann auch anwenden, liebe Volks- und Betriebswirte.
Im positiven Sinne: Die “smart” Welle rollt. Intelligente Netze, besser gesteuerter Energieverbrauch, die Verbrauchsreduktion bei Diesel- und Benzin-Motor. IT hilft. Auch das Hochrüsten von Medizingeräten – vom Blutdruckmessgerät bis zum OP-Saal – wird Leben retten. Am Beispiel der Medizin zeigen sich auch die Gegensätze. Wir schaffen es nicht eine Gesundheitskarte einzuführen, mit deren Hilfe man Medikamentengaben dokumentiert und gefährliche Kontraindikationen verhindert. Seit 20 Jahren entwickelt und einsatzfähig, scheitert sie an der Politik und vorgeblich am Datenschutz.
Ach ja die Politik. Da hat IT ja einerseits positive Wirkungen. Zumindest wenn man freie Kommunikation als Wurzel der Demokratie begreift. Tunesien facebooked und Google versorgt binnen Stunden Ägypten nach Abschalten des dortigen Internets mit einer Schnittstelle von der Sprachtelefonie zu Twitter. Aber im Allgemeinen kann sich IT ja nur über die Politik und ihre Protagonisten aufregen. Da fordert eine deutsche Ministerin das Abschalten von Facebook. Eine andere glaubt mit Warnschildern und IP-Sperren der Kinderpornographie Herr zu werden. Und derjenige, der nach eigener Aussage bei der unfassbaren Menge von 80 Datenträgern bereits den Überblick verloren hat, soll nun die Welt in der politisch demokratisch hilfreichen Nutzung des Internets anleiten. Vielleicht hat ihn die schiere Kenntnis der Worte Datenträger, Copy und Paste qualifiziert. Wissen ist eben Macht – nichts wissen macht aber scheinbar auch nichts.
Und da liegt sicher die Herausforderung für die IT-Schaffenden: Wir dürfen als Fachleute nicht nur die Werkzeuge für Virtualisierung und Beschleunigung liefern und den Rest den Laien überlassen. Wir müssen auch deren positiven Einsatz aktiv fördern und die problematische Nutzung aktiv einschränken. Was bei Atom- und Genforschern spektakulär sichtbar ist, dass man nämlich Verantwortung für die Arbeitsergebnisse trägt, gilt in gleicher Weise für IT. Und aktuell verändert IT die Welt breiter und nachhaltiger als man sich das noch vor einigen Jahren vorstellen konnte.
Ethik der IT
Verantwortung des Wissenschaftlers, des Ingenieurs, dieses Thema haben bereits Dürrenmatt, Brecht, Kipphardt und viele andere in der Literatur thematisiert. Physiker kennen die einschlägigen Schriften dazu von Einstein, Heisenberg oder von Weizsäcker. Biologen, Psychologen oder Mediziner müssen viele ihrer geplanten Experimente Ethikkommissionen zur Begutachtung vorlegen. Und die IT? Der letzte Absatz dieses weiterblickenden Artikels genau spricht das aus, was vielfach in der IT fehlt: Bei Geschwindigkeit und Geld bleiben Verantwortung und Ethik auf der Strecke. Natürlich sollte man nicht verschweigen: Einige der großen IT-Dienstleister haben Ethikrichtlinien. Aber daran sind dann Dinge wie die Annahmen von Weihnachtsgeschenken von Kunden geregelt, ein aktuelles Thema, aber nicht das, was hier gefordert wird.