Microsoft und Open Source bleiben ein Wasser-Öl-Gemisch
Auch wenn sich Microsoft an manchen Punkten öffnet und Einblicke in den Code gewährt, ist eines sicher: Windows-Software ist und bleibt proprietär.
Den Untergang der kapitalistischen Welt befürchtete Microsoft-Gründer Bill Gates vor nicht allzu langer Zeit durch das Modell der Open-Source-Software, und sein Kumpel Steve Ballmer hat schon mal Open-Source-Entwickler “Kommunisten” genannt. Umso mehr Kopfschütteln lösen Meldungen aus, nach denen Microsoft Teile seiner Software unter der General Public License (GPL) veröffentlicht, oder eine wichtige Eigenentwicklung wie die Sender ID für den Kampf gegen Spam allgemein verfügbar machen will. Was hat Softwaregigant mit Open Source im Sinn?
Nachdem Linux den Nimbus des Spielzeugs für Bastler abgestreift hat und Open-Source-Anwendungen auf dem Markt an Boden gewinnen, musste auch Microsoft seine Haltung revidieren: Nicht der gnadenlose Kampf gegen Open Source ist jetzt angesagt sondern die Frage, wie man aus den Mechanismen der Open-Source-Entwicklung Kapital schlagen kann. “Um möglichst viel zu bekommen ist es manchmal nötig, auch mit der Konkurrenz zu kooperieren”, fasst Tony Lock, Senior Analyst beim britischen Marktforscher Bloor Research, Microsofts Verhältnis zu Open-Source-Software zusammen.
Viele der Aktionen, mit denen sich Redmond mit den Lorbeeren der Offenheit schmücken möchte, seien natürlich pure Publicity. Den Kunden muss schließlich der Eindruck vermittelt werden, sie seien nicht einem Monopolisten ausgeliefert, der alles tut, um sie innerhalb der eigenen Produkte einzusperren. Kunden wollen das Gefühl haben, sie seien flexibel. Das habe jetzt auch Microsoft begriffen, deshalb “setzt das Unternehmen ein Lächeln auf”, so der Analyst. “Aber hinter dem Lächeln blitzen die Zähne.”
Redmond versucht dabei, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen soll bei den Wettbewerbsregulatoren in der EU und im amerikanischen Justizministerium durch die Freigabe der XML-Schemata für die Büro-Suite ‘Office’ der Anschein von Offenheit vermittelt werden. “Microsoft hat nicht zuletzt mit einem Auge auf die Regulatoren die XML-Schemata von Office freigegeben”, sagt Neil Macehiter, Research Director bei Ovum. Das solle jedoch nicht bedeuten, dass Microsoft an das Open-Source-Modell glaubt. Diese Schemata sind sehr spezifisch für das Office-Paket ausgelegt und bedeuten keine fundamentale Öffnung des Windows-Betriebssystems.
Zum anderen hat man eingesehen, dass man das Engagement freier Entwickler sehr wohl auch für eigene Zwecke nutzen kann. Microsofts Program Manager für die Entwicklungsumgebung Visual Studio schrieb beispielsweise jüngst in seinem Weblog, dass er sich den Entwicklungsprozess seiner Produkte durchaus offener und unter Mitwirkung seiner Nutzer und Kunden vorstellen könnte. Es gebe kaum einen besseren Weg, “echte Verbindungen mit den Entwicklern zu knüpfen als den, kooperativ die technischen Herausforderungen anzugehen.” Besonders betroffen seien dabei spezielle Erweiterungen, für die er selbst und sein Team im Grunde keine Zeit hätten. Dadurch würde Visual Studio um Features erweitert, von denen viele andere auch profitieren könnten.
In Dollar und Cent profitieren würde dabei freilich in erster Linie Microsoft, dessen Produkte dadurch noch mächtiger und dominanter, aber nicht weniger proprietär würden. “Für Microsoft macht das Open-Source-Modell einfach keinen Sinn”, denn Microsoft sei ein Softwareunternehmen und kein Service Provider, so Neil Macehiter. Anders als Beispielsweise Linux-Distributoren, die über Supportverträge einen Großteil ihres Umsatzes generieren, verfügt Microsoft nicht über das entsprechende Geschäftsmodell, um wirtschaftlich unter der GPL zu existieren. “Wir haben ein Problem mit einem Lizenzmodell, das den Leuten nicht ermöglicht, ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung wieder einzufahren”, sagte unlängst Jonathan Murray, Microsofts Chief Technology Officer für Europa.
Microsoft profitiert vielmehr von der Etablierung eigener, proprietärer Technologie zum Standard. Dazu muss der Monopolist seine Technologie gelegentlich öffnen, oder zumindest einen Teil davon veröffentlichen. Über solche Standards, wie die XML-Schemata, die Microsoft mit dem Windows Installer XML (WiX) offengelegt hat, könne der Hersteller seine Position als Softwarehersteller und seine Marktmacht sichern, so Macehiter. Denn die Kunden würden bestimmte Schnittstellen benötigen und auch einfordern. Viele Kunden hätten schließlich heterogene IT-Umgebungen, und dieser Tatsache müsse auch Microsoft Rechnung tragen. Daher sei das Verhalten Microsofts für den Analysten auch nicht widersprüchlich.
Zusätzlich komme von Regierungen und öffentlichen Verwaltungen Druck, bestimmte Formate offen zu legen, erklärt Nikos Drakos, Analyst bei Gartner. Diese hätten sicherzustellen, dass Daten in Formaten vorgehalten werden, auf die auch von anderen Anwendungen zugegriffen werden könne. Daher wollen viele Staaten die Abhängigkeit von einem einzigen Hersteller so gering wie möglich halten. Und schließlich wolle Microsoft auch weiterhin diesen Markt adressieren, denn gerade hier liebäugeln viele Regierungen mit Linux.
Daneben müsse Microsoft auch zeigen, dass es viel mehr gewillt ist, sein geistiges Eigentum mit anderen zu teilen, wie die Mediaplayer-Linzenz für Turbolinux zeige. Auch Microsoft selbst würde jetzt verstärkt fremde Techniken einkaufen und signalisiere damit “wir wollen mit anderen zusammenarbeiten”. Und das, so Drakos weiter, sei “vermutlich einer der positivsten Aspekte”, da hier vor allem Kunden einen Nutzen davon tragen. Und natürlich würde so auch ein psychologischer Effekt bei den Nutzern erzielt.
Hinter den Kulissen versucht aber Microsoft, über Patente sein geistiges Eigentum fest im Griff zu behalten – und nicht nur sein eigenes. So wurden dem Hersteller Patente zuerkannt, die wahrlich nicht auf dem eigenen Mist gewachsen sind, wie zum Beispiel das auf den Doppelklick. Daneben schmieden die Redmonder Allianzen, um sich den Zugriff auf Patente anderer zu sichern.
So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass nach Microsoft-Lesart “freizügige” Lizenzen wie die für Sender ID bei Open-Source-Organisationen die Alarmglocken schrillen lassen. Die Apache Foundation, Entwicklungsgemeinde der gleichnamigen Webserver-Software, hat sich unlängst mit deutlichen Worten gegen eine Nutzung von Sender ID auf ihrer Plattform ausgesprochen.