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HP-Strategie: Offene Fragen

HP sieht die geplanten Aktivitäten als Baustein der Gesamtstrategie des Unternehmens, sich mehr auf das Firmenkundengeschäft (Enterprise Business) auszurichten. Nicht zuletzt durch entsprechende Software Akquisitionen (Mercury, …) und die Ausweitung des Service Geschäftes (u.a. durch EDS) verfolgt HP diese Linie schon seit mehreren Jahren durchaus erfolgreich.

Nun ist man offensichtlich zu der Erkenntnis gekommen, dass das PC-Geschäft nicht mehr zu dieser Strategie passt. Die präferierte Zielrichtung zur “Neuausrichtung” der PSG (mit einem Gesamtvolumen von ca. 41 Milliarden Dollar Umsatz p.a.) ist ganz klar eine Ausgliederung mittels eines Börsenganges. Damit würde ein neues, unabhängiges, aber immer noch sehr großes Unternehmen entstehen, das durchaus am Markt gute Chancen hätte.

Die erste Frage ist – nach der offiziellen Ankündigung – die Umsetzungsgeschwindigkeit. Der Druck ist immens, da Kunden und Partner stark verunsichert sind, die Vorbereitung eines Börsenganges braucht aber eine gewisse Zeit. Die zweite Frage ist, ob der Börsengang erfolgreich verläuft, d.h. ob alle angebotenen Aktien vom Markt angenommen werden und insbesondere zu welchem Preis. Für die Software-Akquisition Autonomy ist HP bereit, das Zehnfache des Jahresumsatzes zu zahlen, der Multiplikator für die PSG wird deutlich darunter liegen. Da die Experton Group kein Finanzanalystenhaus ist, wollen wir an dieser Stelle nur eine relativ grobe Abschätzung geben. Der Börsenwert der PSG dürfte aus heutiger Sicht zwischen dem 0,4- bis 0,8-fachen des Jahresumsatzes liegen (Vergleich mit Dell: Umsatz 61,5 Milliarden Dollar, Market Cap 27,1 Milliarden Dollar, Revenue Multiple: 0,44). Dies würde für HP Einnahmen in Höhe von 16 Milliarden Dollar bis höchstens 32 Milliarden Dollar bedeuten und die Cash-Positionen entsprechend stärken. Immer vorausgesetzt, dass ein hundertprozentiger Börsengang geplant ist und alle angebotenen Aktien platziert werden können.

Daran schließt sich sofort die Frage an, was HP mit diesem Geld unternehmen möchte? Eine mit der aktuellen PSG-Marge (ca. 2 Milliarden Dollar Operating Profit der PSG würden bei einem Ertrag aus dem Börsengang von 20 Milliarden Dollar eine Verzinsung von 10 Prozent bedeuten) vergleichbare Verzinsung ist am Kapitalmarkt nur schwer zu erzielen, also wird HP wohl vorhaben, dieses Geld in Akquisitionen anzulegen, die eine höhere Marge erzielen. Nach der aktuell vorherrschenden Doktrin dürften dies wohl Software-Unternehmen sein. Dass HP dabei – wie immer wieder gerüchteweise kolportiert wird, SAP (Market Cap ca. 61 Milliarden Dollar) im Ziel hat, halten wir dabei nicht für unmöglich, aber immerhin für außerordentlich unwahrscheinlich. HP möchte mit den Software-Akquisitionen “den Stack nach oben erweitern”. Der Abstand zwischen dem heutigen, zumeist Infrastruktur-nahen Portfolio und ERP erscheint aber etwas groß. Naheliegender sind dann doch z.B. DB– und Middleware-Anbieter.

Andererseits muss sich HP – um nicht noch mehr Zeit gegenüber IBM zu verlieren – durchaus Gedanken über größere Akquisitionen machen. IBM hat das PC-Geschäft vor fünf Jahren abgestoßen und seither über 200 Software-Unternehmen akquiriert und integriert, zumeist in den vorher definierten Kernbereichen.

Für HP kommen sicher mehrere Kandidaten in Frage. Anhand der vorher genannten Überlegungen dürfte aber insbesondere Symantec (Market Cap ca. 12,5 Milliarden Dollar) ein interessanter Kandidat sein. Es ist kaum bekannt, aber Symantec zählt mit einem Jahresumsatz von über 6,2 Milliarden Dollar zu den größten Software-Anbietern weltweit, weist einen Net Profit von 0,6 Milliarden Dollar aus, also eine Marge von rund 10 Prozent, und hat in den letzten Jahren selbst aggressiv akquiriert. Dies wäre sicher keine schlechte Idee, das “PSG-Geld” hier anzulegen, aktuell handelt es sich aber dabei nur um eine reine Spekulation.
Aus Sicht der Experton Group liegt HP bei der aktuellen Strategie insbesondere bei zwei Annahmen falsch:

Wert und Einfluss des Client Business

Man kann der Meinung sein, dass es sich beim Client Business um ein reines Commodity-Geschäft handelt, bei dem alles austauschbar ist und damit kein Wettbewerbsvorteil zu erzielen ist. Folgende Dinge sprechen dagegen:

  • Die Diskrepanz zwischen Consumer Clients und Business Clients ist mittlerweile immens. Consumer Clients haben einen Innovationszyklus von 4 bis 6 Monaten, im Business-Bereich ist wesentlich mehr Kontinuität gefragt. Daher sind durchaus unterschiedliche Geschäftsmodelle gefragt, was aber auch einen Vorteil für auf den Business-Bereich konzentrierte Anbieter sein kann.

  • Innovationen kommen auch in Zukunft primär aus dem Consumer-Segment, die Adaption für das Business-Segment kann aber durchaus aufwändig sein, wie aktuelle Erfahrungen mit dem iPad beweisen.

  • HP ist weltweit einer der führenden Anbieter von Managed Desktop Services – dies ist für viele Kunden auch mit den Produkten verknüpft.

  • Das aktuell wertvollste Unternehmen der Welt heißt Apple. Von dieser Firma kommen die imageträchtigsten und zukunftsweisendsten Produkte im Client-Bereich. Das zeigt, dass mit dem richtigen Geschäftsmodell im Client-Bereich Geld zu verdienen und Werte zu steigern sind.

  • Die Consumerization der ICT wird weiter fortschreiten und HP klinkt sich mit diesem Schritt aus diesem Bereich aus. Hierdurch riskiert HP aus strategischer Sicht auch, den Device-Kontakt zur jungen Generation zu verlieren, die nun in die Unternehmen kommt und in wenigen Jahren dort an entscheidenden Stellen sitzen wird.

Wert und Zukunft des Software Business

HP (und andere) sind offensichtlich der Meinung, dass die aktuell sehr hohen Margen im Software-Bereich für sehr lange Zeit Bestand haben werden. Die Experton Group ist davon überzeugt, dass diese Margen in den nächsten Jahren (insbesondere durch Cloud Services und SaaS) in den meisten Disziplinen stark unter Druck kommen werden. Aus Sicht der Experton Group investiert HP also in ein Segment, in dem die Margen tendenziell zurückgehen.

Zum Schluss bleiben noch zwei unangenehme Fragen, denen sich HP stellen muss:

  • Wenn die Strategie so klar auf das Enterprise Business ausgerichtet ist, wie passt dann die IPG (Imaging & Printing Group, ca. 26 Milliarden Dollar Umsatz) mit einem hohen Consumer-Anteil in diese Strategie?

  • Hatte die Palm/WebOS-Akquisition doch einen tieferen Sinn, oder war dies nur ein 1,2 Milliarden-Dollar-Irrtum? HP sieht weiterhin den positiven Wert der WebOS-Software und arbeitet an der Positionierung. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Darüber hinaus wollen wir noch anmerken, dass die bisherige Transition von HP, insbesondere auch im schwierigen Service-Bereich, durchaus als Erfolg bezeichnet werden kann. Gerade im Bereich “Managed Desktop Services” treibt HP die Industriealisierung und damit Kostensenkung voran und ist auch in den diesbezüglichen Zukunftsthemen wie Client Virtualisierung und Client of the Future/Bring your own Client gut positioniert. Insgesamt befindet sich HP aus Sicht der Experton Group schon heute auf Augenhöhe mit IBM. Umso schwerer fällt es uns, den aktuellen Aktionismus zu verstehen und positiv zu bewerten.

Die genannten Überlegungen sind sicher grundsätzlich interessant, insbesondere auch für Investoren und Aktionäre. Aus Kundensicht ist aber besonders wichtig, dass HP weiter ein solider und verlässlicher Geschäftspartner ist. Es ist zu wünschen, dass die aktuellen Aktivitäten hierauf keinen negativen Einfluss haben.

HP generiert jährlich etwa 10 Milliarden Dollar Net Profit. Das Enterprise-Segment erzielt hierbei etwa 15 Prozent Operating Profit, nicht weit entfernt von IBMs etwa 17 Prozent. Das PSG-Segment erreicht gut 5 Prozent und ist damit auf Augenhöhe mit Dell. Das IPG-Segment zeigt kein Wachstum, aber ist mit 17 Prozent eine Cashcow. HP steht also keineswegs schlecht da und kann sich mit seinen Wettbewerbern messen.

Silicon-Redaktion

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