Landauf landab gibt es in diesen Tagen Glühwein, auf Weihnachtsmärkten wie auf ebensolchen Feiern. Die Zutaten sind bewährt, und die Kopfschmerzen nach allzu üppigem Genuss sind wohlbekannt. Silicon.de-Blogger Christian Hestermann hat sich die Zutaten für “Cloud ERP” angesehen und rät, vor einem tiefen Schluck aus der Pulle mal genau zu schauen, was denn wirklich drin ist.
Ähnlich wohlbekannt scheinen die Zutaten zum neuesten Hype in der ERP-Welt, zum sogenannten “Cloud ERP”. Zwar tun sich selbst die meisten Experten schwer damit, den Begriff “Cloud” überhaupt sauber zu definieren. Gartner hat genau fünf Zutaten aufgelistet: a) service-basiert, d.h. die Anforderungen der Kunden sind durch eine Service-Schicht von den Nöten der Anbieter separiert; b) skalierbar und elastisch, d.h. je nach Bedarf stehen mehr oder mehr weniger Ressourcen zur Verfügung; c) geteilte Ressourcen, d.h. bestimmte Ressourcen werden gemeinsam von allen benutzt; d) tatsächlicher Verbrauch wird gemessen, und idealerweise wird z.B. durch flexible Lizenzmodelle auch nach echtem Verbrauch abgerechnet; und e) Internet-basiert, d.h. der Zugriff erfolgt über allgemein zugängliche Technologien.
Schaut man sich nun die Angebote vieler ERP-Hersteller an, so erfüllen die meisten nur einen Teil dieser Anforderungen. Allzu oft verbirgt sich hinter vollmundigen Angeboten von “Cloud ERP” wenig anderes als klassische Hosting-Modelle, evtl. angereichert durch ein paar technische Dienstleistungen wie Backup oder Administration kleinerer Fehlerbehebungen, und evtl. ein auf Subskriptionen statt auf traditionellen Lizenzen basierendes Bezahlmodell. Von Elastizität (unmittelbarer Zuwachs an Performanz sobald nötig, ohne langwieriges und teures Nachfüllen) oder Abrechnung des tatsächlichen Verbrauchs (nur das bezahlen, was man auch konsumiert hat; bei jedem Glühwein so üblich) oft keine Spur; und die geteilten Ressourcen sind minimal (ok, man teilt auch nicht seinen Becher mit jedem anderen Besucher). Übrigens, die sogenannte multi-tenancy, d.h. das gemeinsame Benutzen der eigentlichen Geschäftslogik und der Software, ist keine unbedingt notwendige Zutat!
Es lohnt sich, vor einem tiefen Schluck aus der Pulle mal genau zu schauen, was denn wirklich drin ist. Allerdings benötigt das auch einiges an interner Aufklärungsarbeit, denn allzu gerne lassen sich z.B. Fachabteilungen von Ohrenbläsern zu dem Irrglauben verführen, dass hier ein ganz neuer Genuss ohne Nebenwirkungen lockt. Dabei merkt man schnell, dass die Einführung eines “Cloud ERP“-Systems genauso viel Mühe kostet wie die eines traditionellen Systems.
In vielen Fällen ist “Cloud ERP” tatsächlich weniger als alter Wein in neuen Schläuchen: Selbst die Schläuche sind alt, nur das Etikett wurde neu gemalt. Prost!